1. Einleitung

(1) Die Prävention des sexuellen und geistlichen Missbrauchs ist eine ganzheitliche und beständige Aufgabe. Sie ist der Verantwortlichkeit einer jeden einzelnen Person anvertraut, hat aber auch eine systemische und institutionelle Seite. (2) Das Institutionelle Schutzkonzept will dazu beitragen, dass das Priesterseminar München für alle Personen, die mit dieser Einrichtung zu tun haben, ein Ort ist, der zur positiven Entwicklung eines jeden einzelnen im Sinne des Evangeliums beitragen kann. (3) Es will die Risiken, aber auch die Chancen der Institution zur Prävention beleuchten und ist ein Baustein im Gesamtkonzept der Prävention des sexuellen und geistlichen Missbrauchs am Priesterseminar München.

Dieses Institutionelle Schutzkonzept kann auch unter folgendem Link heruntergeladen werden: Institutionelles Schutzkonzept (PDF)

2. Rechtsgrundlage

(1) Die „Rahmenordnung – Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ (im weiteren Text als „RO“ bezeichnet) in der Fassung vom 31.01.2020 gibt in Nr. 3 vor:

„Institutionelles Schutzkonzept. Auf der Basis einer Schutz- und Risikoanalyse trägt der Rechtsträger die Verantwortung für die Entwicklung von institutionellen Schutzkonzepten innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs. Diese sind regelmäßig – spätestens alle fünf Jahre – zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Schutzkonzepte in Einrichtungen und Diensten werden in Abstimmung mit der diözesanen Koordinationsstelle ausgestaltet (siehe Ziff. 4). Alle Bausteine eines institutionellen Schutzkonzeptes sind zielgruppengerecht und lebensweltorientiert zu konzipieren.“

Die Ordnung für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener durch Kleriker und sonstige Beschäftigte im kirchlichen Dienst (im weiteren Text als „OU“ bezeichnet) in der Fassung vom 31.01.2020 definiert in Nr. 2 sexuellen Missbrauch:

„Die Ordnung bezieht sich somit a) auf Handlungen nach dem 13. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches (StGB) sowie weitere sexualbezogene Straftaten, b) auf Handlungen nach can. 1395 § 2 CIC in Verbindung mit Art. 6 § 1 SST7, nach can. 1387 CIC inVerbindungmitArt.4§ 1n.4SSTwieauchnachArt.4§1n.1SSTinVerbindungmit can. 1378 § 1 CIC, soweit sie an Minderjährigen oder an Personen, deren Vernunftgebrauch habituell eingeschränkt ist, begangen werden, c) auf Handlungen nach Art. 1 § 1 a) VELM, d) unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls auf Handlungen unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit, die im pastoralen oder erzieherischen sowie im betreuenden, beratenden oder pflegenden Umgang mit Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen eine sexualbezogene Grenzverletzung oder einen sonstigen sexuellen Übergriff darstellen.

Sie betrifft alle Verhaltens- und Umgangsweisen (innerhalb oder außerhalb des kirchlichen Dienstes) mit sexuellem Bezug gegenüber Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen, die mit vermeintlicher Einwilligung, ohne Einwilligung oder gegen deren ausdrücklichen Willen erfolgen. Dies umfasst auch alle Handlungen zur Vorbereitung, Durchführung und Geheimhaltung sexualisierter Gewalt.“ (OU, Nr 2, 13f)

Das Priesterseminar München ist ein diözesanes Priesterseminar entsprechend can. 237 § 1 / CIC 1983. Es wird gemäß Ratio fundamentalis (= RF) Nr. 134 „im kirchlichen und im zivilen Bereich“ vom Regens vertreten; seine Stiftungsgrundlage ist die Klerikalseminarstiftung Freising.

3. Risikoanalyse

3.1. Kreis der Personen, die zum Priesterseminar gehören

(1) Das Priesterseminar München ist seinem Wesen nach fest in der Ortskirche von München und Freising verankert: „Der Bezug zur eigenen Ortskirche ist aber der unabdingbare Kontext des Ausbildungsprozesses. Zugleich ist die Ortskirche sowohl der Ort, an dem die Regeln für die Prüfung der Berufung Anwendung finden, als auch die Zeugin der von den Einzelnen erreichten Fortschritte hinsichtlich ihrer menschlichen und christlichen Reife für die Priesterweihe“ (RF 126).

(2) Innerhalb dieses Rahmens trägt ein bestimmter Kreis von Personen eine besondere Verantwortung in der Priesterausbildung oder ist mit einzelnen Aufgaben betraut: (3) der Erzbischof von München und Freising als Ordinarius; (4) das Seminarkollegium, bestehend aus Regens und Subregens sowie dem Spiritual; (5) Dozenten für einzelne Fachbereiche sowie Supervisoren in Propädeutikum, Studienphase und Pastoralkurs; (6) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Priesterseminar in Verwaltung, Küche und Hauswirtschaft; (7) dazu kommen geistliche Gemeinschaften, denen einzelne Seminaristen angehören, (8) Heimatregenten, die Seminaristen in das Münchener Priesterseminar entsenden sowie (9) Personen mit punktuellen oder zeitlich befristeten Aufgaben wie Geistliche Begleiter oder Exerzitienmeister.

(10) Neben den direkt an der Ausbildung Beteiligten haben weitere Personen vereinzelt oder regelmäßig Kontakt zum Priesterseminar oder halten sich in seinem Gebäude auf: Studenten im Berufungsorientierungsjahr, Mitstudierende an der Universität, besonders in anderen Ausbildungshäusern wie dem Ausbildungszentrum; Tagesgäste bei Fortbildungen, bei Einzelveranstaltungen oder als private Gäste; schließlich die Essensgäste an der Pforte. Seit März 2022 wohnen Geflüchtete aus der Ukraine als Gäste im Gästebereich des Seminars.

3.2. Kreis der besonders schutzwürdigen Personen im Sinn des StGB

(1) RO 1.4 benennt unter Berufung auf § 225 Abs. 1 StGB „schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene“ und führt ausdrücklich aus: Es „sind darunter Personen zu verstehen, die einem besonderen Macht- und/oder Abhängigkeitsverhältnis unterworfen sind.“ Die Ausbildungssituation begründet ihrem Wesen nach ein derartiges Macht- und Abhängigkeitsverhältnis, so dass Seminaristen zum Kreis der schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen im Sinn des StGB gehören. (2) Weiterhin gehören zu diesem Kreis die Essensgäste an der Pforte sowie (3) minderjährige Gäste insbesondere bei Jugendveranstaltungen im Seminar.

3.3. Machtgefälle

3.3.1. Innerhalb des Seminars

(1) Machtgefälle stellen immer ein besonderes Risiko für Übergriffigkeiten dar. Innerhalb des Seminars ergeben sich mehrere, unterschiedlich auffällige derartige Gefälle. Für eine Risikoanalyse gilt festzuhalten: Verdeckte und unausgesprochene Machtverhältnisse sind potentiell gefährlicher als strukturell klare und benannte.

(2) Klar und benannt ist das Verhältnis von Regens und Subregens gegenüber den Seminaristen. Sie sind als Forum externum für Aufnahme, Ausbildungsfortgang, Weiheempfehlung oder Entlassung verantwortlich. Im Falle einer Unterstützung eines Seminaristen durch den Korbiniansverein entsteht ein parallel dazu verlaufendes ökonomisches Machtgefälle. (3) Dozenten geben im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Voten über die einzelnen Seminaristen gegenüber dem Forum externum ab. (4) Im Forum internum haben Spiritual, Geistliche Begleiter und Supervisoren ebenfalls eine eindeutige und benannte geistliche Machtposition gegenüber den Seminaristen. Gegenüber dem Forum externum sind sie aber zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ihre Machtposition ist also anderer Art als die des Forum externum, da sie keinen Einfluss auf die Weihezulassung nehmen. Sie ergibt sich durch ihren Vorsprung an Wissen und Erfahrung. Diese Macht setzen sie zum Wohl und geistlichen Wachstum der Seminaristen ein, indem sie ihre geistliche Einschätzung und ihren Rat im Gespräch zur Verfügung stellen, dabei aber ihre Gesprächspartner jederzeit frei lassen, diese anzunehmen oder auch nicht. Damit ermutigen sie zu eigenverantwortlicher Entscheidungsfindung. Jede Art von Manipulation oder intransparente Beeinflussung widersprechen diesem Grundprinzip und sind als geistlicher Missbrauch einzuordnen.

(5) Ebenso klar und benannt ist das Verhältnis der Seminarleitung gegenüber den Mitarbeitern, insofern sie deren Dienstvorgesetzte sind. Auch gegenüber Gästen und Essensgästen an der Pforte üben die Mitglieder der Seminarleitung das ordentliche Hausrecht aus.

(6) Ein sensibler Bereich ist das Verhältnis von Seminaristen und Mitarbeitern: Hier besteht kein Dienstverhältnis, dennoch dürfen Mitarbeiter von Seminaristen die Einhaltung von Hausordnung und Verhaltensstandards einfordern. Seminaristen dürfen ihrerseits an Mitarbeiter Bitten und Wünsche direkt herantragen, die im Rahmen der Haussituation verhältnismäßig sind.

(7) Ein weiterer sensibler Bereich ist das Verhältnis der Seminaristen untereinander: Senioren, Präfekten und Chefwirt nehmen eine herausgehobene Rolle ein und sind im Rahmen ihres Auftrags weisungsbefugt. Durch Erfahrung und Wissensvorsprung bildet sich ebenfalls ein oft unbewusstes Machtgefälle (s. 3.4), das sich durch unterschiedliches Lebensalter noch zusätzlich vergrößern kann. Durch die Mitgliedschaft in Seminargruppen können sich derartige Gefälle weiter verfestigen oder verselbständigen.

3.3.2. Innerhalb der Ausbildungssituation

(1) Jenseits des Lebens- und Ausbildungsbetriebs im Priesterseminar selbst ergeben sich für Seminaristen eine Reihe weiterer Gefälle:

(2) Klar und benannt sind die Machtgefälle im Zusammenhang mit der akademischen Ausbildung an der Universität; ein akademischer Abschluss ist Kriterium für die Weihezulassung. Für ein entsprechendes Institutionelles Schutzkonzept ist die Ludwig- Maximilians-Universität in München verantwortlich. (3) Ebenso klar und benannt ist die Rolle der Praxisanleiter, denen Seminaristen im Verlauf ihrer Ausbildung begegnen, sowie der Dozenten im Pastoralkurs: Sie geben gegenüber dem Forum externum ein Votum zur Eignung des Seminaristen ab.

(4) Unbewussten, aber oft nicht weniger effektiven Einfluss nehmen verschiedenste Einzelpersonen auf die Seminaristen; zu nennen sind hier insbesondere Heimatpfarrer oder andere Kleriker, ehemalige Seminaristen oder Mitglieder anderer Ausbildungshäuser. Innere Verbundenheit und fehlende Reflexion von Machteffekten aus derartigen Beziehungen gelten als potentiell gefährlich im Sinne des Missbrauchs.

3.4. Wissensgefälle innerhalb der Seminarstruktur

(1) Bedingt durch die unterschiedlichen Rollen ergeben sich erhebliche Wissensgefälle innerhalb der Struktur des Priesterseminars München.

(2) Die Seminarleitung hat gegenüber den Seminaristen wie den Mitarbeitern ein multiples und relevantes Wissensgefälle durch Kenntnisse der Kirchen- und Diözesanpoltik, durch hochsensible Kenntnisse von Personalia innerhalb wie außerhalb des Seminars sowie durch diözesan- und seminargeschichtliche Kenntnisse, die sich auf die aktuelle Ausbildungsgestaltung auswirken.

(3) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben je nach Aufgabenbereich sensible Kenntnisse zu Personalführung und ökonomischen Verhältnissen, aber durch die Personalaktenführung auch zu einzelnen Seminaristen und ehemaligen Seminaristen.

(4) Seminaristen haben untereinander teils erhebliche biographische wie akademische Wissensgefälle. Unterschiedliche Lebensalter und Lebenserfahrungen sorgen für eine große Bandbreite an Haltungen und Reflexionsstufen unter den Seminaristen.(5) Im Ausbildungsfortgang sammeln Seminaristen Erfahrungswerte, die ihnen zunehmend einen Wissens- und damit Machtvorsprung vor Neuanfängern geben. (6) Durch Ämter, die sie bekleiden, bekommen einzelne Seminaristen Zugang zu Wissen und Kenntnissen sensiblerer Art. (7) Theologische oder andere Fachabschlüsse sorgen für Wissensvorsprünge einzelner, die hilfreich oder missbräuchlich eingesetzt werden können.

3.5. Umgang mit Gefahrenpotentialen

3.5.1. Ausbildung und Weiterbildung von Seminarleitung und Mitarbeitern

(1) Besondere Wachsamkeit gilt im Annahme- und Bewerbungsverfahren der Prävention sexuellen Missbrauchs. Eine Selbstverpflichtungserklärung sowie ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis sind zu Dienstbeginn vorzulegen. (2) In Fort- und Weiterbildungen werden kompetenteres Wissen und Problembewusstsein, eine verbesserte Handlungskompetenz, sowie verstärkte Rechtssicherheit und Interventionsmöglichkeiten erarbeitet und vertieft. (3) Seitens der Hausleitung des Seminars wird ein Institutionelles Schutzkonzept vorgelegt, das allen Mitarbeitenden ein transparentes und effizientes Beschwerdemanagement kommuniziert.

3.5.2. Umgang von Seminarleitung und Mitarbeitenden mit den Seminaristen

(1) Zur Gewährleistung eines professionellen Umgangs von Hausleitung und Mitarbeitenden mit dem Seminaristen werden in diesem Schutzkonzept klare Regeln zur Rollensicherheit sowie zu Nähe und Distanz formuliert. Sie gelten für Seminaristen wie für Hausleitung und Mitarbeitende. (2) Zuwiderhandlungen werden entsprechend dem Dienst- bzw. Arbeitsrecht geahndet; die Wege dorthin werden in diesem Institutionellen Schutzkonzept skizziert.

3.5.3. Umgang der Seminaristen untereinander

(1) Gerade bei neu aufgenommenen Seminaristen können fehlende Aufklärung und mangelndes Problembewusstsein von Mechanismen des Missbrauchs dazu führen, bewusst oder unbewusst zu Täter oder Opfer im Sinne des Institutionellen Schutzkonzeptes zu werden. (2) Ein wesentliches Ausbildungsziel gilt daher ihrer Sensibilisierung und ihrer Befähigung, eine sachgerechte Sprache im Bereich von Sexualität, Macht und Missbrauch zu erlernen. (3) Dieser lebenslange Lernprozess beschäftigt sich zum einen mit der eigenen Persönlichkeit, dem Zugang zu Emotionen und Körperlichkeit, dem Zugang zu diversen kulturellen Hintergründen und den daraus resultierenden Haltungen, und den sich zeigenden sozialen oder dissozialen Haltungsmustern. Zum anderen soll dieser Lernprozess die Seminaristen zunehmend dazu befähigen, persönlich wie systemisch notwendigen Unterstützungsbedarf zu erkennen, zu formulieren, operativ anzuwenden und zu evaluieren.

3.5.4. Umgang mit Sozialen Medien

(1) Seminarleitung, Mitarbeitende sowie Seminaristen repräsentieren in ihrer je unterschiedlichen Rolle das Priesterseminar insgesamt. Dies spiegelt sich auch im verantwortlichen und reflektierten Umgang mit Medien, besonders in den sozialen Netzwerken wider. (2) Seminarleitung, Mitarbeitende und Seminaristen sollen in den sozialen Netzwerken eine Haltung zeigen, die sich mit den Grundsätzen der katholischen Kirche wie mit ihrer je spezifischen Rolle vereinbaren lässt. (3) Digitales Suchtverhalten ist wie jedes andere Suchtverhalten zu behandeln; gegebenenfalls greifen hier die diözesanen Suchtleitlinien.

3.6. Gefahrenpotentiale von Gebäude und Grundstück

(1) Die Essensgäste, die werktags am späten Vormittag zu einer warmen Mahlzeit an die Pforte kommen, stellen in ihrer überwiegenden Mehrheit kein Risiko dar. (2) Jeder Hausbewohner und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Möglichkeit, bei Fehlverhalten von Essensgästen das Hausrecht durchzusetzen. (3) Jeder Hausbewohner und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Möglichkeit, bei fremden oder unbekannten Personen auf dem Grundstück das Hausrecht durchzusetzen.

4. Prävention und Transparenz

4.1. Curriculum zur Prävention während der Priesterausbildung

Das Curriculum zur Prävention bildet den beständigen Lernprozess ab und umfasst die drei vom Priesterseminar verantworteten Ausbildungsabschnitte Propädeutikum, Studienphase und Pastoralkurs. Insgesamt ergibt sich dabei ein Workload von etwa 475 Arbeitsstunden, der sich wie folgt zusammensetzt:

Propädeutikum (Abweichungen sind bei Seminaristen möglich, die ein anderes Propädeutikum absolviert haben):

(1) eLearning-Programm der Erzdiözese München und Freising (20 h)
(2) Einführung in die Bedeutung der Psychologie für die Priesterausbildung und Seelsorge durch den Spiritual, 2 Semesterwochenstunden (= SWS) über 1 Semester (22 h)
(3) Diakoniepraktikum samt Reflexion (6 SWS, nicht in den Workload eingerechnet)
(4) Zwei Halbtage Gruppensupervision (10 h)

Studienphase:

(5) mindestens einmal während der Studienphase biographische Exerzitien (30 h)
(6) Seminarkurs Zölibat mit Einheiten zur sexuellen Orientierung und Identität sowie zum verantwortungsvollen Umgang mit der Sexualität, 1 SWS über 2 Sem. (25 h)
(7) vierwöchiges Krankenhausseelsorgepraktikum mit Supervision zur Seelsorgepersönlichkeit(120 h)
(8) religionsdidaktische Übungen und Schulpraktikum samt Reflexion zur Lehrerpersönlichkeit, 2 SWS über ein Semester (25 h)
(9) Seminarkurs Psychologie zur Entwicklungspsychologie, 1 SWS (12 h)
(10) insgesamt 10 Tage Gruppensupervision: (60 h)
(11) zwei sechswöchige Gemeindepraktika samt Reflexion (nicht in den Workload eingerechnet)

Pastoralausbildung:

(12) einwöchiger Kurs zur Seelsorgepersönlichkeit (30 h)
(13) 12 Halbtage supervisorischer Leitfaden (36 h)
(14) einwöchiger Kurs zur Biographiearbeit, zu Nähe und Distanz im pastoralen Umgang (30 h)
(15) sieben Spiritualstage, verteilt auf zwei Jahre, zu den Themen Beziehung und geistliche Lebensform, dazu ein Wochenende zur Lebensgestaltung in der zölibatären Lebensform (55 h)

4.2. Führung der Personalakte

(1) Die Verwaltung der Personalaktenrichtet sich nach den von der Deutschen Bischofskonferenz erarbeiteten und vom Erzbischof von München und Freising in Kraft gesetzten Normen. (2) Jeder Seminarist hat ein Einsichtsrecht in seine Personalakte. (3) Die Personalakten der Mitarbeitenden werden entsprechend Normen des staatlichen Arbeitsrechts verwaltet.

5. Fortbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten im Abstand von längstens drei Jahren eine Inhouse-Schulung zu Themen der Prävention durch GV.3.

6. Verhaltenskodex für die Seminargemeinschaft

(1) Die Seminargemeinschaft besteht aus Personen, die in unterschiedlichen Rollen und zu unterschiedlichen Zwecken im Haus leben und arbeiten. (2) Hausleitung und Seminaristen, stehen nicht nur als Personen für sich selbst, sondern repräsentieren auch außerhalb des Hauses das Seminar und die katholische Kirche insgesamt. Für die Mitarbeitenden des Hauses gilt dies in analoger Weise. (3) Unbeschadet der jeweiligen Rollen und Aufgaben gelten für alle Personen im Haus dieselben Erwartungen an ihr Verhalten.

6.1. Kommunikation in Person und Raum

6.1.1. Sprachliche Kommunikation

(1) Die Sprache zeigt in ihrer Wortwahl den Respekt gegenüber anderen Menschen jeden Geschlechts, jeder Ethnie und jeder Religion. Sie ist differenziert und wertschätzend, sie ist frei von diskriminierenden, anzüglichen, verletzenden oder sexistischen Formulierungen. (2) Der Kommunikationsstil ist eindeutig und transparent, er achtet die Grenzen und meidet jede Manipulation. (3) Die Anrede mit „Sie“ ist der gebräuchliche Standard zwischen Seminarleitung sowie Mitarbeitenden und Seminaristen; im Bereich des Forum internum kann auf das „Du“ gewechselt werden. Unter den Seminaristen ist das „Du“ die gebräuchliche Anrede. (4) Unter allen Mitgliedern der Hausgemeinschaft ist eine Kultur des wertschätzenden Feedback wünschenswert. Sexualisierte, sexistische, diskriminierende oder gewalttätige Sprache, sowie Mobbing sind in keinem Fall tolerierbar. Ihre Anwendung stellt Leitungs- bzw. Ausbildungsfähigkeit in Frage oder aber hat arbeitsrechtliche Konsequenzen.

6.1.2. Nähe und Distanz

(1) Der angemessene Umgang mit Nähe und Distanz berücksichtigt die Rollen der jeweiligen Personen und das bei ihnen gegebene Machtverhältnis. Er drückt sich in räumlich- körperlichem wie in sprachlichem Verhalten aus. (2) Bei jeder Art des Umgangs miteinander sind die Grenzen zum anderen zu respektieren. Aggressiver Umgang; psychische, physische oder sexuelle Grenzverletzungen, Mobbing oder direkte Gewalthandlungen sind in keinem Fall tolerierbar. (3) Diesbezüglich missverständliches oder grenzüberschreitendes Verhalten ist ebensowenig akzeptabel wie missverständliche verbale oder nonverbale Kommunikation. (4) Wer sich einer Grenzverletzung ausgesetzt sieht, darf und soll dies klar benennen.

6.1.3. Kleidung

(1) In sinnvoller und angemessener Kleidung drückt sich die Annahme der eigenen Rolle wie der gerade gegebenen Situation aus. Angemessene Kleidung zeigt umso mehr die Fähigkeit, eine Situation richtig einzuschätzen, als gerade im Seminar Situationen öffentlichen wie privaten Charakters einander oft sehr nahekommen. (2) Die Kleidung im Seminar drückt eine gestufte Festlichkeit aus: (3) An gemeinsamen Hochfesten und Sonntagen sowie bei Beauftragungen und Veranstaltungen ähnlichen Ranges gilt Sakko- und Hemdpflicht von den Laudes bis einschließlich dem Mittagessen; eine Ausnahme besteht hierbei für Trachtenkleidung. Zu meiden sind generell anzügliche oder irritierende Kleidungsstücke. (4) Bei den Gottesdiensten ist in der Seminarkirche auch im Sommer eine lange Hose angemessen.

6.1.4. Räume und ihr Charakter

(1) Die Räume im Priesterseminar weisen einen unterschiedlichen Grad an Öffentlichkeit auf: Grundsätzlich öffentliche Bereiche sind die Räume in den Untergeschossen und im Erdgeschoss, sowie die Flure, Teeküchen und Aufenthaltsräume sowie besonders gewidmete Räume (Medienraum, Atelier) im 1. Obergeschoss. (2) Als besonders geschützte Bereiche gelten das 2. und 3. Obergeschoss; sie werden von Seminaristen und ihren persönlichen Gästen und von der Hausleitung im Falle eines besonderen Anliegens betreten. nicht jedoch von Fortbildungsgästen. (3) Private Bereiche sind ausschließlich die Seminaristenzimmer. Das Betreten fremder Zimmer geschieht ausschließlich mit Zustimmung des Bewohners oder in einem vermuteten Notfall. Über das Offenhalten oder Abschließen der Türen entscheidet der Bewohner. (4) Das vierte Obergeschoss ist grundsätzlich Gästebereich; die Loggia ist eine öffentliche Zone.

(5) Über den angemessenen Aufenthalt von Privatgästen informiert die Hausordnung. (6) Im Speisesaal ist bei gemeinsamen Mahlzeiten der Gebrauch von Smartphones im Hinblick auf die Gesprächskultur nicht gestattet.

6.2. Kommunikation im digitalen Raum

(1) Ein sensibler Bereich der Kommunikation betrifft den digitalen und medialen Raum. (2) Für alle zum Seminar gehörigen Personen gelten die in 6.1.1 genannten Kommunikationsregeln insbesondere auch in sozialen Medien. (3) Seminaristen stehen in einem besonderen Spannungsfeld zwischen Privatsphäre und öffentlicher Rolle. Da sie sich in einem Entscheidungsprozess befinden, haben Seminaristen grundsätzlich auch die Freiheit zum Verzicht auf digitale Kommunikation und mediale Präsenz. (4) Unbeschadet davon ist die Medienkompetenz ein Bildungsziel, so dass mit zunehmendem Studienfortgang auch eine Befähigung zu sinnvoller und angemessener Medienpräsenz angestrebt wird. (5) Grundsatz für jede Form medialer Präsenz ist: „Ich teile nur, was ich für angemessen und sinnvoll halte“.

Für die Erstellung von medialen Produkten im Zusammengang mit der Öffentlichkeitsarbeit des Seminars gelten folgende Eckpunkte: (6) Einhaltung der Regelungen für Veröffentlichungen, besonders im Bezug auf die Einholung des Einverständnisses zur Bild-, Ton- und Filmaufnahme sowie -veröffentlichung. (7) Wertschätzender Kommunikations- und Sprachstil, der auf eine angemessene Nähe und Distanz Rücksicht nimmt. (8) Persönlicher Kommunikationsstil: Jeder Beitrag auf Social Media ist eine persönliche Äußerung und muss als solcher wahrnehmbar sein, insbesondere wenn Themen mit Konfliktpotential angesprochen werden.

6.3. Rückmeldekultur

(1) Im Interesse einer konstruktiven Kultur von Konflikt und Kritik gelten folgende Grundsätze: (2) Eine spezifische Kultur des Feedback ist dem Gedanken der „Correctio fraterna“ verpflichtet. Sie soll dem Wohl und der Weiterentwicklung aller in der Hausgemeinschaft dienen. Freilich sind dazu Mut zur offenen Aussprache und Aufrichtigkeit auf beiden Seiten notwendig. (3) Allgemeine und pauschale Personenkritik ist nicht akzeptabel; bei benennbaren Vorfällen soll die betroffene Person zeitnahe Rückmeldung geben, um entstehende Probleme frühzeitig und sachgerecht zu klären oder einer Klärung zuzuführen. (4) Gerade bei Konflikten ist ein differenzierter Sprach- und Kommunikationsstil, der dem anderen achtsam und wertschätzend begegnet, die Basis für eine konstruktive Weiterarbeit. Jede Form des Mobbings lehnen wir grundsätzlich ab. (5) Für komplexere Konflikte steht ein eigenes Beschwerdemanagement (Kap. 7) zur Verfügung.

6.4. Konsequenzen

(1) Bei nachweislicher Nichtbeachtung dieser Verhaltensmaßregeln folgen zeitnah angemessene und abgestufte Konsequenzen. (2) Sie reichen je nach Schwere des Verstoßes von einem persönlichen Gespräch unter den Betroffenen und eine Ermahnung über eine Eintragung im Personalakt bis hin zur sofortigen Entlassung aus dem Priesterseminar. (3) Unter Berücksichtigung von Datenschutz und Persönlichkeitsschutz sind sie dem Betroffenen wie der Hausgemeinschaft gegenüber möglichst transparent und nachvollziehbar zu halten.

(4) Fehlverhalten und Verdachtsmomente sind auf jedem der Beschwerdewege zeitnah und eindeutig zu benennen. (5) Für Personen, die ein Fehlverhalten erleben, beobachten oder melden, entstehen keine Nachteile. Auf Wunsch wird ihre Anonymität gewahrt.

7. Beschwerdemanagement

RO 3.4 gibt vor: „Jeder Rechtsträger beschreibt im Rahmen des institutionellen Schutzkonzepts die Vorgehensweise im Verdachts- oder Beschwerdefall. Dazu gehören interne und externe Beratungsmöglichkeiten und Melde- und Beschwerdewege. Diese müssen in geeigneter Weise bekannt gemacht werden. Im institutionellen Schutzkonzept sind Maßnahmen zu beschreiben, wie nach einem aufgetretenen Verdacht oder konkreten Vorfall die Unterstützung im jeweiligen System aussehen soll.“ Dementsprechend gelten für das Priesterseminar St. Johannes der Täufer die folgenden Grundsätze und Wege im Beschwerdemanagement.

7.1. Beschwerdegrundsätze

(1) Als Beschwerdegrundsätze für einen Verdachtsfall gelten: Personalität, Sachlichkeit und Kontextualität. (2) Ein jeder Verdachtsfall ist personalisiert zu behandeln. Allgemeine Vermutungen werden nicht weiter verfolgt. (3) Ein jeder Verdachtsfall ist sachlich zu behandeln. Überstürzung und Emotionalität gefährden eine angemessene Lösung im Kreis der Beteiligten und Verantwortlichen. Beobachtungen und Vorgänge sind sachlich zu schildern; Vermutungen und Folgerungen sind als solche zu kennzeichnen. (4) Ein jeder Verdachtsfall ist kontextualisiert zu behandeln. Die Umstände des Geschehens sind bei der Bearbeitung von Vorgängen zu berücksichtigen.

7.2. Beschwerdewege

(1) Im Falle eines Verdachtsfalles kann sich jeder an den Regens oder den Subregens des Priesterseminars wenden. Gemäß OU Nr. 11 haben diese eine Meldepflicht gegenüber dem Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums München und Freising. (2) Darüber hinaus kann sich jeder direkt an die unabhängigen Ansprechpersonen des Erzbistums München und Freising wenden:

Diplompsychologin Kirstin Dawin
St.-Emmeram-Weg 39
85774 Unterföhring
Telefon: 089 / 20 04 17 63
E-Mail: KDawin@missbrauchsbeauftragte-muc.de

Dr. jur. Martin Miebach
Pacellistraße 4
80333 München
Telefon: 0174 / 300 26 47
Fax: 089 / 95 45 37 13-1
E-Mail: MMiebach@missbrauchsbeauftragte-muc.de

(3) Jedem steht es frei, sich zur Beratung an eine Vertrauensperson zu wenden. (4) Sie kann zum Forum internum – Spiritual, Geistlicher Begleiter oder Supervisor – gehören. Soll sie gegenüber Dritten aussagen, muss sie mit ihrem Einverständnis von der Schweigepflicht entbunden werden; die kanonischen Bestimmungen bleiben davon unberührt.

8. Aufarbeitung

(1) Ein schwerwiegender Vorfall hat über die unmittelbar Beteiligten hinaus eine systemische Auswirkung auf die gesamte Ausbildungsgemeinschaft des Priesterseminars. (2) Eine gegebenenfalls angemessene Aufarbeitung organisiert der Regens unter Mitwirkung der entsprechenden diözesanen Fachstellen. (3) „Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen oder schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen vor, entscheidet der Ordinarius, Höhere Ordensobere bzw. der Dienstgeber über das weitere Vorgehen unter Berücksichtigung der kirchen-, arbeits-, dienst- und auftragsrechtlichen Bestimmungen.“ (OU Nr 40)

9. Qualitätsmanagement

Nach Abschluss eines schwerwiegenden Vorfalls, spätestens jedoch alle fünf Jahre nach Inkrafttreten wird das vorliegende Institutionelle Schutzkonzept evaluiert. Insbesondere Änderungen in Risikoanalyse, Kommunikationskultur und Beschwerdemanagement werden entsprechend eingearbeitet.

10. Inkrafttreten und Bekanntgabe

(1) Nach Vorarbeiten in einem Studientag am 29.10.2021, Beratungen in der Hausgemeinschaft im Februar und Mai 2022 und in Absprache mit der Stabsstelle GV.3 zur Prävention von sexuellem Missbrauch im Erzbischöflichen Ordinariat tritt das vorliegende Institutionelle Schutzkonzept mit dem 01.06.2022 in Kraft.