Wer von einer „Berufung“ spricht, meint das längst nicht mehr nur im christlichen Sinn. Starköche erzählen von ihrer Berufung, Fußballer sowieso, und jeder Motivationscoach möchte in seinen Kunden einen inneren Bezug zu seinem Job aufbauen. Berufung bedeutet Sinn. Und wer will schon ohne Sinn leben? Wem es aber gegeben ist, glauben zu können, der verbindet mit dem Wort „Berufung“ mehr. Genauer gesagt: das größte Geschenk, das es gibt, den Ruf Gottes.

„Berufung“ kann mit einer außergewöhnlichen Erfahrung zusammenhängen. Die heilige Schrift berichtet immer wieder davon. Jeremia wird von Gott direkt angesprochen: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt.“ (Jer 1,5) Auch das dramatische Erlebnis des Saulus auf seinem Weg nach Damaskus ist ein Berufungsereignis. Ähnliche Erfahrungen gibt es auch heute: Einem Menschen wird mit einem Mal bewusst, wozu Gott ihn ruft und was er in seinem Leben tun soll.

Berufung kann auch ganz anders geschehen. Gott kann ganz leise sprechen, wie er es beim Propheten Elija getan hat (vgl. 1 Kön 19,12) oder er nimmt mehrere Anläufe wie beim Propheten Samuel (1 Sam 3). Manches dauert länger: meinen Lebensweg zu deuten, die Zeichen Gottes zu verstehen, mich selbst und die tiefe Sehnsucht meines Lebens zu ergründen. Keine Berufungsgeschichte ist wie die andere.

Berufung sorgt für Ängste: Mose kann nicht reden und Jeremia findet, er sei zu jung. Priesterliche Berufung bringt heute zusätzliche Unsicherheiten mit sich: Was ist das eigentlich – ein Priester? Wer ist er, was tut er, wie sieht sein Dienst in zehn oder zwanzig Jahren aus? Kann ich die ehelose Lebensweise eines Priesters für mich übernehmen – und mich auch nach außen dafür rechtfertigen? Die Fragen sind meist klarer als die Antworten.

Wer sich heute auf den Weg macht, einer Berufung zum Priester nachzugehen, bricht auf in ein großes Abenteuer. Nichts für schwache Charaktere und schlechte Nerven. Die Zeit im Priesterseminar bietet Gelegenheit, die eigene Berufung zu unterscheiden und zu stärken: Zu klären, ob der Weg wirklich zum Priestertum führt oder zu einem anderen Dienst in der Kirche oder in der Welt. In der theologischen Ausbildung, im brüderlichen Miteinander und im Hineinwachsen in die Diözese, im persönlichen Gebet und der geistlichen Begleitung kann sich Berufung prüfen und geprüft werden, kann sie wachsen und reifen und schließlich durch die Kirche bestätigt werden.

Wer sich auf den Weg macht, den lässt Gott seine Führung erfahren. Nicht auf alle Fragen gibt er gleich Antwort; er ruft zum Vertrauen und zum ersten Schritt. Das wichtigste Zeichen dafür, den richtigen Berufungsweg eingeschlagen zu haben, wird immer die Freude sein. Denn sie wächst, je mehr wir die Wege gehen, die Gott für uns bereitet hat.