Erstellt am 21. Juni 2021 von Subregens Dr. Benjamin Bihl

Das Sakrament der Priesterweihe

Die Priesterweihe ist im Studienjahr natürlich das Highlight des Seminarlebens. Nach vielen Jahren des Studiums, des geistlichen Ringens, der praktischen Ausbildung und der dann endgültigen Entscheidung empfangen die Seminaristen das Sakrament der Priesterweihe. Allerdings ist die Feier dieses Sakramentes nicht nur Höhepunkt des Studienjahres in unserem Haus, sondern ein Fest der ganzen Diözese, da die Priesterweihe eine zentrale Stellung innerhalb unserer Kirche einnimmt. Die Priester stehen der Feier der Eucharistie vor, sprechen den Gläubigen im Beichtsakrament die Vergebung Gottes zu und stärken die Kranken und Sterbenden mit der Krankensalbung. Deshalb ist es immer wieder nötig, dieses Sakrament von seiner theologischen Seite zu verstehen, damit der eigentliche Sinn des Priesteramtes nicht hinter soziologischen Konstruktionen und klerikalistischen Hoffnungen auf Selbstverwirklichung verloren geht.

Sendung Christi

Seinen Ursprung hat das Priesteramt in Jesus von Nazareth. Die Evangelien bezeugen an vielen Stellen, dass er die 12 Apostel, die er zu seinem engeren Kreis erwählt hat, mit Vollmachten ausstattet und aussendet. (Vgl. Mk 16,15; Mt 18,18; Mt 28,18-20; Lk 10,16; Lk 22,19; Joh 20,23) Aus dieser Sendung der 12 Apostel und der Weitergabe dieser Sendung an die neuen Generationen von Christen hat sich bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts vor Christus das dreigliedrige Amt (Bischof – Priester – Diakon) entwickelt. Entscheidend dabei ist, dass die Apostel und jene Amtsträger nach ihnen mit der Vollmacht Christi ausgestattet sind, um das Evangelium vom Reich Gottes zu verkünden, die Menschen in den gottesdienstlichen Feiern die Nähe Gottes erfahren zu lassen und die Kirche zu leiten. Deshalb gehört zu jeder Feier des Weihesakraments besonders die Bitte um die Gabe des Heiligen Geistes. Denn die Vollmacht, die Christus seiner Kirche in den Apostel gegeben hat, wird durch den Heiligen Geist und die konkrete Kirche weitergereicht. So bleibt die Sendung der Apostel das Vorbild dafür, wie in der Kirche dieser Dienst gelebt und ausgeübt werden soll.

Bindung an den Bischof

Das Sakrament der Priesterweihe wird stets von einem Bischof gespendet. Er legt den Weihekandidaten die Hände auf und spricht das Weihegebet. Da das dreigliedrige sakramentale Amt eine Einheit bildet, wird es durch den Bischof verliehen, der die Fülle des Weihesakraments darstellt. Die Priester sind ihrem Bischof zugeordnet und üben gemeinsam mit ihm und den anderen Priestern ihren Dienst aus. Die Weihe ist somit auch die Eingliederung in eine konkrete Ortskirche mit einem Bischof und dem Presbyterium (Gemeinschaft der Priester). Dies wird bei der Weihe zunächst durch das Gehorsamsversprechen gegenüber dem Ortsbischof ausgedrückt. Hier wird die Berufung konkret. Schon in frühster Zeit ist es der Kirche wichtig geworden, dass die Ämter keine freischwebenden Gestalten erzeugen, die überall – und damit nirgendwo – sind. Als Priester ist man an eine bestimmte Diözese oder einen Orden gebunden. So hat man seinen konkreten Platz in der Kirche und seinen Wirkungsbereich, der einem vom Bischof zugeteilt wird. Mit dem Gehorsamsversprechen wird auch deutlich, dass der Priester mit seiner Weihe nicht tun und lassen kann, was er will (was Klerikalismus wäre), sondern sich damit fest in die Gemeinschaft der Kirche einbinden lässt. Es mag heute für manche paradox klingen, aber der recht verstandene Gehorsam ist die Medizin gegen Egoismus und Narzissmus im Priesteramt. Denn mit der Weihe erhält der Priester die Vollmacht Christi nicht, damit er tun kann, was er will, sondern damit er in der Gemeinschaft mit dem Bischof und der Ortskirche, den Auftrag Jesu in der Kirche und der Welt erfüllt.

In der Gemeinschaft des Presbyteriums

Die Priesterweihe fügt einen Neupriester auch in die Gemeinschaft der Priester, das sog. Presbyterium ein. Sichtbares Zeichen dafür ist, dass die anwesenden Priester während der Weiheliturgie den Kandidaten die Hände auflegen. Diese Handauflegung gehört – im Gegensatz zur Handauflegung des Bischofs – nicht zur Weihe selbst, ist aber ein Zeichen, das eng mit der Weihe verbunden ist. Denn alle Priester empfangen dieselbe Gabe des Heiligen Geistes für ihren Dienst. Deshalb muss man sagen, dass der Begriff „Priester“ sinnvollerweise stets im Plural auftauchen sollte. Das gilt gerade in Zeiten des Priestermangels. Dass die Priester immer weiter verteilt werden und von allen kirchenpolitischen Richtungen das Ideal „Ein Dorf – ein Pfarrer“ hochgehalten wird, ist theologisch nicht konsequent. Die Priester bilden ein geistliches Kollegium und das sollte sich idealerweise auch in ihrer Arbeit und in ihrem Leben widerspiegeln. Seit einigen Jahrzehnten sind Pfarrhäuser meistens nur noch von einem Priester bewohnt und die Berufung zum Priesteramt droht somit zu einer Berufung in die Einsamkeit zu werden. Diese moderne Entwicklung, die sicherlich zunächst dem Priestermangel geschuldet ist, hat viele schlechte Seiten. Das geistliche Kollegium wird so zu einer abstrakten Größe, die symbolisch bei der Weihe angedeutet, aber in der Lebenswirklichkeit der Priester nicht mehr erfahrbar wird. Die Zukunft und die Anziehungskraft des Priesteramtes werden sich auch daran entscheiden, ob die verschiedenen Ortskirchen es schaffen, dieses liturgische Zeichen wieder mit alltäglichem Leben zu füllen.

Heiligung des Gottesvolkes

Nach der Priesterweihe und der Primiz treten die Neupriester ihre ersten Stellen in Pfarrverbänden des Erzbistums an. Dann wird auch deutlich, was die konkreten Aufgaben von Priestern sind. Nach dem II. Vatikanischen Konzil werden diese in die drei Bereiche Verkündigung, Heiligung und Leitung eingeteilt. Mit Verkündigung ist die Verkündigung der frohen Botschaft gemeint, dass der Sohn Gottes aus Liebe Mensch geworden ist, sein Leben für uns hingegeben hat und so unsere Trennung von Gott endgültig überwunden hat. Den Priestern ist aufgetragen diese Botschaft den Menschen, für die sie zuständig sind, zu verkünden, Bezüge zwischen dieser Botschaft und dem Alltag herzustellen und allen zu helfen, im Glauben zu wachsen und zu reifen. Daneben gehört die Feier der Sakramente zum Bereich der Heiligung. In diesen wirkmächtigen Zeichen wird die Zuwendung Gottes zu uns Menschen in konkreten Situationen angezeigt und verwirklicht. Hierzu gehören besonders die Taufe, die Feier der Eucharistie, die Beichte und die Krankensalbung. Die Aufgabe der Leitung kommt bei einigen Priestern erst nach ein paar Jahren des Dienstes hinzu, wenn sie dann z. B. als Pfarrer die Leitung von Pfarrverbänden und Pfarreien übernehmen. Daneben ist den Priestern besonders das Gebet aufgetragen. Als fester Rahmen dafür ist das Stundengebet vorgesehen, das in seiner Mitte aus dem Psalmengebet und dem Lobpreis Gottes (Benedictus, Magnifikat) besteht. Die Priester sollen selbst ein aktives Gebetsleben pflegen, zu Männern des Gebetes werden und auch immer für die ihnen anvertrauten Menschen beten und so aus einer lebendigen Beziehung zu Christus ihren Dienst ausüben. Dafür steht besonders das Gebet der Psalmen, das auch im Judentum eine große Rolle spielt. Christus selbst hat die Psalmen gebetet und nach Markus, Matthäus und Lukas einen Psalmvers als letztes Gebet vor seinem Tod gesprochen/gebetet (Ps 22,2 bzw. Ps 31,5). Die Psalmen sind unsere Brücke in das geistliche Leben Jesu, der besonders mit diesen Worten und Gedanken seine Beziehung zu seinem und unserem göttlichen Vater gelebt hat. So sind die Psalmen das ideale Gebet für die Priester, die in der Vollmacht Jesu handeln, wenn sie das Evangelium verkünden und die Sakramente spenden. Immer wieder sollen sich die Priester mit diesem Gebet an Christus orientieren, um ihren Dienst in rechter Weise zu vollziehen als wahre Hirten und nicht als Beherrscher ihrer Gemeinden.

Höchster Vollzug in der Eucharistie

Die auffälligste Neuerung im Leben eines Neupriesters ist sicherlich, dass er der Feier der Eucharistie vorstehen darf. Die Weihe ist jedoch nicht einfach die Erlaubnis dazu, sondern die Verleihung der Vollmacht stellvertretend für Christus zu handeln und das Lob- und Dankgebet über Brot und Wein zu sprechen und damit auch die Wandlungsworte in der ersten Person zu sprechen, so als ob Christus sie selbst sprechen würde. Natürlich kann der Priester diese Worte „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“ nicht von sich selbst aussagen. Nur indem er Christus darstellt und damit vergegenwärtigt, kann ein Priester diese Worte sinnvollerweise sprechen. Im modernen Sinn handelt es sich jedoch nicht um eine „nur“ symbolische Darstellung. Ein Sakrament ist nämlich ein Symbol, das die Wirklichkeit, auf die es hinweist, in sich selbst enthält. Deshalb hat die liturgische und theologische Sprache über die Sakramente immer einen realistischen Zug. Die Worte, die der Priester spricht, bleiben für ihn nicht nur äußerlich, sondern sie sollen durch sein ganzes Leben ausgedrückt werden. In diesem Moment spricht er stellvertretend für Christus und soll deshalb auch in seinem ganzen Leben so leben, damit sein Leben diesem Moment entspricht. Das scheint mir den inneren Sinn zu erschließen, warum der Zölibat für die Priester in der katholischen Kirche die Regel ist. Denn dies ist die Lebensform Jesu selbst und der Priester, der ihn darstellt, soll auch so leben wir er. Dieser Anspruch darf natürlich nicht auf den Zölibat eingeschränkt werden, sondern betrifft auch das eigene Gebetsleben, den Umgang mit anderen Menschen und den privaten Lebensstil. Das ganze Leben soll dem Dienst der Verkündigung gewidmet sein.

Für uns im Seminar ist die Weihe der Abschluss eines mehrjährigen Weges, den jeder Kandidat gegangen ist. Aber die Weihe ist gar kein Abschluss, sondern der wirkliche Start der priesterlichen Berufung, auf die sich die Weihkandidaten vorbereitet haben. Ihr restliches Leben sollen die Neupriester den Menschen das Evangelium näherbringen, sie in ihrem Glaubenswachstum unterstützen, selbst weiter wachsen in ihrer Beziehung zu Christus und in den Sakramenten die heilsame Nähe Gottes erfahrbar machen und mit ihren Gemeinden aus dieser Nähe leben. Dieses Sakrament führt sie mitten hinein in die Gemeinschaft der Gläubigen. So sollte das Bild des Priesters als Einzelkämpfer längst der Vergangenheit angehören. Denn nur zusammen mit dem Bischof und den anderen Priestern, mit den kirchlichen Mitarbeitern, den vielen Gläubigen und deren unzähligen Charismen kann diese wunderbare Berufung ihre ganze Wirkung entfalten.

 

 

Foto: Archivbild 2020 ©Robert Kiderle