Vom Damaskusereignis unserer Zeit – Die Bekehrung des Apostels Paulus

Sprechen wir – gesamtgesellschaftlich betrachtet – in diesen Tagen von Bekehrung, so finde ich meistens ein breites Feld an Meinungen, die allesamt ihre Wahrheit beanspruchen wollen und somit einem sturen Tunnelblick gleichkommen, der den eigentlichen Horizont schmälert. So höre ich von politischer Be-/ bzw. Umkehrung, also von der Ab-/ oder Zuwendung hin zu einer politischen Meinung, von einer Umkehr im ökologischen Sinne und auch von der Umkehr der sozialen Narrative, die langsam ins Wanken geraten.
Jedoch spricht das Individuum ungern von der eigenen Bekehrung, denn dies würde ja ein Unwissen, ein Fehlverhalten oder gar ein Unrecht der eigenen persona implizieren – im Jahre 2025 scheint dies ja schon fast anmaßend zu sein.
Doch dürfen unsere Herzen am Festtag des vergangen Samstags mit wiederaufglimmender Hoffnung erkennen, dass unabhängig von der Versteiftheit des Geistes und des Herzens der Welt, Bekehrung möglich ist. Vielleicht habe ich diesem Text deshalb mit der Prämisse vom Damaskusereignis unserer Zeit betitelt, denn wie viel Schmerz und Unfrieden könnten wir dadurch beenden?
So blicke ich heute auf den Apostel Paulus, der im ersten Brief an die Korinther eine der vielleicht interessantesten Aussagen bezüglich seiner eigenen Person trifft. So schreibt er: „Ich bin der geringste von den Aposteln […], weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe. Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben.“ (1 Kor 15, 9 f.). In dieser Rekreation lässt uns Paulus an dem immensem Gewicht seiner Bekehrung teilhaben. So baut, bzw. stützt Paulus seine Nachfolge alleinig auf die reiche Gnade, Barmherzigkeit und Liebe Gottes, die ihn in Damaskus ereilt hat (vgl. Apg 9 f.). Tatsächlich sehe ich in dem Bericht über das „Licht vom Himmel“ (Apg 9, 3), welches Paulus nahe Damaskus „einnimmt“ und blendet, primär ein neuerliches Verständnis der transzendenten Erfahrung zwischen dem auferstanden Christus und jenen Menschen, die ihm nachfolgen. So ist der Auferstandene in den Gliedern seiner Kirche, in den Menschen, die mit lauterem Herzen zu suchen vermögen präsent und lebt ihn ihnen, so wie sie in ihm leben dürfen.
Ein gedanklich weiter Bogen, wie ich zugeben muss, doch wird diese Überlegung in der Person des Saulus (also vor der Bekehrung) deutlich: Zunächst verfolgt der treue Soldat die Christen der Antike (Apg 9, 1; Apg 22, 4), um schlussendlich mit einer fast schon epiphanischen Erfahrung Jesus zu erkennen.
Die apostolische Berufung des Paulus beruht nicht auf seinen eigenen menschlichen Leistungen, die er ja selbst als unzureichend und unwürdig ansieht, sondern auf der unermesslichen Gnade Gottes, die ihn erwählte und mit der apostolischen Sukzession betraute.
In der bildenden Kunst hat diese Erfahrung auf vielerlei Weise Einzug gehalten; Caravaggio mit seiner Interpretation, Michelangelo mit seinem Werk in der Paulinischen Kapelle und immer wird mir eines in der Verbildlichung klar: Der HERR überkommt Paulus plötzlich; in keiner langen Ankündigung, in keiner prophetischen Erfüllung, sondern letztlich auf einem kahlen Landstraßenabschnitt, welcher nach Damaskus führt.
In der Reflexion der Geschichte des heiligen Paulus wird nun ersichtlich, dass die Veränderung in seinem Leben weder auf moralischer Ebene, (wie von Unsittlichkeit zu Sittlichkeit), noch auf intellektueller Ebene (als eine Veränderung des Weltverständnisses) beschränkt ist, sondern vielmehr eine tiefgreifende Erneuerung seines gesamten Seins, bzw. Selbst darstellt, vergleichbar mit einer Neuschöpfung. Im Hinblick auf den Sonntag vor drei Wochen, an welchem wir die Taufe des HERRN feierten, könnte man auch von einem Eintauchen in Christus sprechen, einem neuen Leben aus Christus.
Dies scheint (in mir) eine unterschwellige Faszination auszulösen und kann unsere Welt, sowie uns Menschen, die wir nicht in der Vergangenheit schwelgen dürfen und nicht in der Abstrusität der Zukunft, im Hier und Jetzt des Moments Hoffnung schenken. So greife ich auch gerne das Bild des hoffnungsvollen Pilgers auf, welches zum Motiv dieses Heiligen Jahres wird und zugleich der Menschheit die Möglichkeit gibt, das Damaskusereignis in unserer Zeit zu erleben, umzukehren und sich selbst zu bekehren.
Auch wenn es bisweilen so scheinen mag, dass der Weg zur vollständigen Wiederherstellung der Gemeinschaft im biblischen Sinne lang und mit Hindernissen gesäumt ist, muss die Menschheit in Verantwortung vor der Schöpfung und ihrem Schöpfer die Entschlossenheit erneuern, die von Gott gewollte Einheit zwischen dem menschlichen Geist und ihm mit Mut und Großzügigkeit zu fördern, indem wir auf einen Menschen, wie Paulus blicken, der inmitten zahlreicher Herausforderungen stets festes Vertrauen in Gott bewahrte, der sein Werk zu Ende bringt.
Dann – und nur dann – können wir, kann ich, selbst ein „Damaskusereignis“ erfahren.