Erstellt am 19. Juni 2025 von Florian Kruppa

Kοινωνία – Christentum funktioniert nur in Gemeinschaft

Eine Homilie in der Vorabendvesper des Fronleichnamsfestes im Münchner Priesterseminar von Florian Kruppa, 5. Kurs

Die Welt von heute individualisiert sich zunehmend. Teilweise geschieht dies mit einer Geschwindigkeit, die so rasant ist, dass man den Durchblick verliert. Diese zunehmende Individualisierung erreichte inzwischen alle Lebensbereiche des Menschen. Auch die Religion ist davon betroffen. Vor allem das Christentum. Die Menschen kreieren sich ihre je eigene Religion: Ein wenig Nächstenliebe, Yoga zum Entspannen und ab und zu einmal eine Wallfahrt zum Abschalten und Herauskommen aus dem gewöhnlichen Alltag.

Ähnliche Zustände herrschten im ersten Jahrhundert in Korinth. Die Staatsreligion war der römische Kaiser- und Götterkult. Dieser Glaube galt in Korinth als verbindlich, jedoch wurde niemand dazu verpflichtet, diesen Kult in seinem eigenen Leben zu praktizieren. Neben dem Staatskult praktizierten einige in Korinth noch orientalische Mysterienkulte. Und zu guter Letzt lebte eine Minderheit ein christliches Leben und kam Sonntag für Sonntag zusammen, um das Herrenmahl zu feiern. Korinth hatte damals ein reichhaltiges Angebot an religiösen Praktiken.

Die verwirrte Christengemeinde in Korinth, die nicht mehr verstand, ob es sich lohnt den christlichen Glauben zu leben, begann ebenfalls den christlichen Glauben mit den paganen Kulten zu vermischen. Daraufhin reagierte Paulus und ermahnt die Gemeinde mit heilgeschichtlichen Ereignissen des Volkes Israels. Folglich erinnert Paulus die Gemeinde mit den Fragen: „Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?“ (1 Kor 10, 16 – 17) Diese Fragen klingen etwas sperrig.

Wirft man einen Blick in den Urtext so verwendet Paulus das Wort „κοινωνία“. Die Einheitsübersetzung verwendet das Wort „Teilhabe“. Alternativ kann man auch „Gemeinschaft“ als Übersetzung verwenden. Wenn man „κοινωνία“ mit „Gemeinschaft“ statt Teilhabe „übersetzt“, so denke ich, ist es schon ein wenig verständlicher.

Paulus erinnert uns, damit an die doppelte Gemeinschaft, die in der Feier der Eucharistie entsteht. Zum einen entsteht die die persönliche Gemeinschaft mit Jesus Christus. Mit ihm, der am Kreuz gestorben ist, der hinabgestiegen ist in das Reich des Todes und vom Vater auferweckt wurde. Er schenkt sich uns vollkommen in dem gewandelten Brot. Er kommt zu uns, weil er der wahre und lebendige Gott ist, der unsere verletzten Seelen heilen möchte, oder mit anderen Worten: das, was unserer Seele fehlt, möchte er unserer Seele schenken.

Damit diese Beziehung lebendig bleibt, braucht es immer ein gegenseitiges in Beziehung treten. Jesus Christus tritt immer mit uns in Beziehung, unabhängig unserer innerlichen Verfassung. Da er die größte Liebe ist und uns treu ist, will er stets mit uns in Beziehung. Auch wir müssen stets mit ihm in Beziehung treten. Dort wird deutlich, dass das Christentum „συναγειν“ ist, „Begegnung“. Sie geschieht immer in der Feier der Eucharistie. Dort kommt er zu uns verhüllt in der Gestalt des gewandelten Brotes. Jeder hatte schon einmal im geistlichen Leben trockene Zeiten erlebt, und man möchte eigentlich gar keine Eucharistiefeier mitfeiern. Aber auch in diesen Zeiten ist es gut und wichtig, dem Herrn gegenüber treu zu sein.

Die zweite Form der Gemeinschaft ist die „horizontale“ Gemeinschaft, die Gemeinschaft zwischen den Gläubigen. Es ist die Bindung, die uns erfahren lässt, dass wir als Kirche eine Gemeinschaft sind und keine Einzelkämpfer. Die Gemeinschaft untereinander erinnert uns auch immer wieder, dass wir füreinander Verantwortung tragen sollen und Solidarität erweisen sollen. Und letztlich ist diese Ausdruck dafür, dass wir als eine Gemeinschaft Anteil haben am Kreuzesopfer Jesu Christi. Diese Form der Gemeinschaft bedarf ebenfalls der Beziehungspflege.

Diese Form der Gemeinschaft findet bereits seinen Ausdruck, indem ich meine enge Haltung überwinde, und zum Beispiel nach der sonntäglichen Eucharistiefeier die Schwestern und Brüder, die neben mir sitzen, frage, wie es ihnen denn geht. Auch kann man sich diakonisch einbringen, zum Beispiel, indem man den Alten und Kranken den Herrn nach Hause bringt, damit diese auch wissen: „Wir gehören weiterhin zur Gemeinschaft“ und eine persönliche Begegnung mit Jesus Christus haben können. Auch in der „horizontalen“ Gemeinschaft wird erfahrbar, dass das Christentum „συναγειν“ ist.

Wenn wir diese beiden Formen der Gemeinschaft in unserem persönlichen Leben pflegen, werden wir den zunehmenden Individualismus überwinden können. Es ist sicherlich nicht immer leicht. Ich weiß und erlebe es selbst. So können wir auch nur den Herrn immer wieder bitten, dass er uns immer wieder die Kraft und den Mut gibt, dass wir mit ihm und untereinander in Gemeinschaft bleiben.

Fotorechte: © Robert Kiderle