Erstellt am 2. Dezember 2025 von Regens Dr. Wolfgang Lehner

Ein Jubiläum – viele Perspektiven: Begegnung der Seminargemeinschaften aus Brixen und München

Die Christenheit feiert in diesen Tagen das 1700jährige Jubiläum des Konzils von Nicäa, das den Glauben an Jesus Christus in zeitlose Formulierungen gefasst hat. Im Münchener Priesterseminar begingen wir die Erinnerung auf besondere Weise: Nach dem Ausflug des Münchner Priesterseminars im vergangenen Mai zum Kassiansfest nach Brixen kamen die Brixener Seminaristen mit ihren Vorständen zum Gegenbesuch nach München. Das Thema der Begegnung sollte sein: die Frage nach der Person und der Botschaft Jesu Christi. Der Zeitpunkt hätte nicht günstiger gewählt sein können, hielt sich doch zur gleichen Zeit Papst Leo XIV. in der Türkei zu den Jubiläumsbegegnungen auf.

Den einleitenden Vortrag hielt Pfarrer Dr. Benjamin Bihl. Er skizzierte die Hintergründe, auf denen das Konzil von Nicäa stattfand, zeichnete die theologischen Fragestellungen nach und stellte die Klärungen heraus die das Konzil leistete; bemerkenswert der Ausblick auf die Zeit, die vergehen musste, bis die Formulierungen von Nicäa im Leben der Kirche wirksam wurden.

Auf der Grundlage dieses Impulses gingen die Seminaristen in den Austausch darüber, wie sie heute Jesus Christus und den Glauben an ihn verstehen, leben und weitergeben möchten.

Eine Besonderheit dieses Seminaristentreffens bestand darin, dass Priesteramtskandidaten aus drei Kontinenten ihre Perspektiven einbrachten. Eine der spannenden Fragen lautet: Wie lassen sich im afrikanischen und indischen Kontext theologische Begriffe finden, die den Begriffen der europäischen geprägten Philosophie und Theologie entsprechen können?

Über die Kontinente hinweg sind es drei Themen, die alle Seminaristen bewegen sind: Wie lässt sich die Beziehung der Trinität Gottes im Miteinander der Gläubigen abzubilden? Im Glauben an Jesus Christus als den Schöpfer der einen Menschheit sind alle Menschen Schwestern und Brüder – freilich sucht man sich Geschwister nicht immer aus. Die zweite Frage ist die, wie wir heute von Jesus Christus sprechen können, im persönlichen Zeugnis, aber auch in der theologischen Reflexion: Bilder und Metaphern haben ihre Stärken, weil sie Raum für das Geheimnis Gottes lassen; aber auch ihre Schwächen, weil sie nicht zur letzten Präzision kommen können. Eine dritte Frage ist die nach dem Verständnis von Fest und Feier: tansanische, indische und europäische Zugänge zu dem, was ein Fest ist und was feiern bedeutet, können doch sehr verschieden sein – umso mehr können wir auch voneinander lernen.

Eine besondere Begegnung bot der Abend zum Ersten Adventssonntag: Erzbischof Reinhard Kardinal Marx feierte mit den Seminargemeinschaften die erste Vesper des neuen Kirchenjahres und segnete die Adventskränze. In seiner Puncta spannte er den Bogen vom Konzil von Nicäa hin zum Zweiten Vatikanischen Konzil, das vor 60 Jahren seinen Abschluss fand und bis heute nicht eingeholt ist: Die Person Jesu Christi als wahrer Gott und wahrer Mensch baut eine Spannung auf, die wir nicht in eine Seite hinein auflösen, die wir aber auch nicht banalisieren können. Jesus bleibt eine Herausforderung, aber auch eine Kraftquelle für alle, die ihm nachfolgen. „Todos, alle“ sind eingeladen, so zitiert immer wieder Papst Franziskus. Und diese Einladung an alle ist für Kardinal Marx nicht Grund zur Beunruhigung, sondern zur Freude.

Neben der theologischen Erkenntnis sollten die Tage auch der gemeinsamen Erfahrung gelten: München bietet viele sehenswerte Orte, und was für die einen eine nahezu übersehene Seh-Gewohnheit ist, ist für die anderen eine staunenswerte Neuigkeit. So gehörten ein Stadtbummel, ein Besuch im Bayerischen Nationalmuseum und ein Blick über München von den Domtürmen aus ebenso zum Programm der Tage wie die abschließende Fahrt nach Freising am Ersten Adventssonntag. Wenn Prof. Marc-Aeilko Aris durch „seinen“ Freisinger Dom führt, verrinnt die Zeit viel zu schnell: Bilder und Geschichte werden so lebendig, dass man meint, die Figuren Asams würden gleich von den Deckenfresken herabsteigen und ihre Geschichte erzählen wollen.

So vergehen die gemeinsamen Tage der Begegnung rasch, sind sie doch wertvoll gefüllt: mit Austausch und Gespräch, mit Gebet und Feiern. Ein Jubiläum lädt dazu ein, nicht nur zurückzuschauen, sondern vor allem, gemeinsam nach vorne zu blicken.