Erstellt am 12. November 2025 von Johannes Richter

Die stille Predigt der Katakombenheiligen: Vom Tod, der Leben verheißt

„O Mensch, lass dir’s gesagt sein, lass dir’s geklagt sein, schrei es aus – alles, allen, allenthalben: Es muss gestorben sein, nicht vielleicht, sondern gewiss!“ – Müsste man dieses Zitat einer zeitlichen Epoche zuordnen, würde man wohl das Zeitalter des Barocks nennen, welches sich nicht nur durch seinen Pomp und seine prunkvollen Bauten auszeichnet, sondern auch den Gedanken der Vanitas, d. h. der Vergänglichkeit, als zentrales Motiv bedient. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass der Barock eine Epoche der gegensätzlichen Superlative ist.

Eine besondere Erscheinung der Heiligenverehrung – die meines Erachtens wie keine andere religiöse Praxis ebenfalls diese Gegensätze bedient – ist die zur Zeit der Gegenreformation auftretende Verehrung von sog. „heiligen Leibern“. Hierbei handelt es sich um prunkvoll mit Gold, Perlen und Steinen verzierte Ganzkörperreliquien, die in Glassarkophagen für die Verehrung durch die Gläubigen aufgebahrt sind. Umgangssprachlich werden sie zumeist auch als Katakombenheilige bezeichnet, da viele von ihnen nach dem Einsturz eines Weinbergs im Jahre 1578 an der Via Salaria bei Rom aus den dadurch freigelegten Katakomben stammen und über die Alpen nach Bayern gebracht wurden.

Klickt oder blättert man sich heutzutage durch verschiedene Artikel über die Verehrung von Katakombenheiligen, beschäftigen sich diese zumeist mit der abenteuerlichen Entdeckung und der damit zusammenhängenden Ungewissheit, ob es sich tatsächlich um Märtyrer handelt, oder sie nehmen Abstand von der – zugegeben für heutige Verhältnisse befremdlichen – Zurschaustellung von Skeletten im sakralen Raum. Ungeachtet dieser berechtigt geführten Diskussionen glaube ich, dass uns die heiligen Leiber auch heute noch eine wesentliche Botschaft übermitteln können.

 

Memento Mori! – Gedenke des Todes

Skelette und Totenschädel sind nicht nur zur Zeit des Barocks – sondern auch heute noch – Zeichen, die wir mit dem Tod in Verbindung bringen. Die heiligen Leiber halten uns somit auch heute noch unmissverständlich unsere Sterblichkeit vor und rufen förmlich: „Memento te hominem esse – Gedenke, dass du ein Mensch bist!“

Dass wir Menschen auf dieser Welt der Vergänglichkeit unterworfen sind, wird heutzutage gerne verdrängt, oder man setzt alles Mögliche daran, das Altern mit Hilfe von Naturwissenschaften zu besiegen – wie es beispielsweise der Tech-Milliardär Bryan Johnson versucht.

Wenn uns die Katakombenheiligen mit unserer eigenen Vergänglichkeit konfrontieren, möchten sie uns vielleicht auch darauf aufmerksam machen, dass das Leben eben wegen seiner Vergänglichkeit so unschätzbar wertvoll ist. Es lässt sich eben nicht alles beliebig oft wiederholen. Es kommt vielmehr darauf an, wie wir unsere Lebenszeit nutzen und gestalten.

 

Ab morte, vita nascitur! – Aus dem Tod entsteht Leben!

Im Credo bekennen wir Christen die Auferstehung der Toten und das ewige Leben – ein Bekenntnis, das heute wie damals aneckt und gleichzeitig dem Tod seinen absoluten und endgültigen Charakter nimmt. Aus diesem Grund wäre es, glaube ich, auch zu kurz gegriffen, die Katakombenheiligen darauf zu reduzieren, dass sie uns den Tod vor Augen führen sollen.

Betrachtet man die heiligen Leiber nämlich genauer, entdeckt man, dass in ihrer Art der Aufbahrung etwas Dynamisches liegt. Entweder ist der Oberkörper bereits halb aufgerichtet oder die Heiligen stehen da. Auch die Attribute, die den Katakombenheiligen zugeordnet werden, lassen aufhorchen. Mit Palme, Schwert oder Siegeskranz sehen sie viel mehr wie Gewinner eines Wettbewerbs oder edle Ritter aus als wie im Grab Ruhende.

Die Aufbahrung wandelt und weitet somit das eher triste „Memento Mori“ hin zu einem österlichen „Ab morte, vita nascitur“, das uns aufzeigt: Wir werden nicht ewig im Grabe ruhen, denn der Tod wurde durch Jesus Christus besiegt!

Für mich sind die Katakombenheiligen deswegen primär ein anschauliches Zeichen der Hoffnung – der Hoffnung der Vollendung in Gott. Einer Vollendung, so wie wir geschaffen wurden.