Bitte nicht stören!
Kaum ist der Sommerurlaub vorbei, geht dem Gefühl nach der Jahresendstress auch schon los. Spätestens ab November ist scheinbar die gesamte Welt im Marathon zu den Weihnachtstagen unterwegs. Straßen werden dekoriert, Bäume verkauft und die Geschäfte überbieten sich mit Artikeln, die das Fest einzigartig und besonders machen werden. All das kennen wir ja schon zu gut und spielen tapfer mit. Wir kaufen ab August Lebkuchen, besuchen im November alle Weihnachtsmärkte der Umgebung, rennen zwischen den Kaufhausregalen hin und her oder finden beim Online-Shopping das ideale Geschenk für einen unserer Lieben. Spätestens wenn die Kirche aber mit ihrem Vorweihnachtsprogramm anfängt und damit beginnt den Advent zu feiern, dann möchte man am liebsten nur noch ein Schild mit der Aufschrift: „Bitte nicht stören!“ heraushängen.
Dann kommt auch noch sie. Sie kommt zwar angekündigt, jedes Jahr aufs Neue, aber sie stört eben doch den gewohnten Ablauf. Maria stört, wie sie es schon damals getan hat. Sie stört die Betriebsamkeit eines sich selbst viel zu wichtig nehmenden Alltags. Der Anlass – scheinbar banal – sie sucht bei uns Herberge für sich und das Kind, das sie erwartet. Zwar ist es nicht so, dass man der Gottesmutter keinen Platz einräumen möchte, aber eben auch nicht immer direkt. Wie oft verschiebt man die Gedanken, das Gebet oder die Anbetung. Maria wird auf das Nebengleis versetzt. Sie die all das in ihrem Herzen tragen kann, wartet allzeit geduldig und klopft immer wieder sanft an. Meist schafft sie es genau so, sich und ihrem Kind doch einen Weg zu bahnen.
Die Herbergssuche steht im Wissen dieses sanften Anklopfens und ist daher nicht nur ein altes Brauchtum im Advent, sondern ein Impuls der ganz besonderen Art. Er ist erlebbar, spürbar und entfaltet so eine ungeahnte Wirkung. Klassischerweise wird bei diesem Brauch eine Marienfigur in der Nachbarschaft von Haus zu Haus getragen, und jeder neue Haushalt gewährt der Gottesmutter Herberge, bis sie schließlich in der Kirche ankommt. Im Priesterseminar müssen wir nicht aus dem Haus gehen, aber doch zwischen den Zimmern und Etagen umher, schließlich sind wir auch alle Nachbarn. Auch hier im Seminar gibt es immer noch tausend andere Dinge, die neben dem Gebet und dem Innehalten wichtig scheinen. Wenn einem aber die Gottesmutter überbracht wird, dann bringt das den Ablauf in guter Art und Weise durcheinander.
Das Brauchtum der Herbergssuche ist damit vor allem eine wohltuende Störung in unserer Zeit. Es braucht nichts Großes, sondern nur etwas Zeit und die Bereitschaft die Tür aufzumachen. Den Rest erledigt die Gottesmutter, indem sie Platz macht für sich und vor allem für das Kind das sie trägt. Sie ermöglicht einem innenzuhalten, zu beten über sich nachzudenken und sich auf Weihnachten und dessen Botschaft vorzubereiten. Daneben ermöglicht die Herbergsuche auch den Austausch und die Begegnung mit anderen. Es handelt sich damit um eine „Störung“, die Weihnachten erst gar ermöglicht. Nur wenn wir die Tür in unser Innerstes aufsperren, wird es möglich, dass Christus bei uns ankommt. Nur so wird es wirklich Advent!