Erstellt am 24. Dezember 2024 von Theodor Pernath

„Machen wir uns auf den Weg!“ – Eine Krippenbetrachtung

Blicken wir umher, so finden wir uns allgegenwärtig mit Bildern, Grafiken und Kunstwerken umgeben, die wir in der Hektik unseres Alltags nicht mehr einzuordnen wissen. Besonders rund um die stille Zeit des Jahres scheint unser Blick nur noch über triviale Eindrücke zu schweifen, die mit bunten Lichterketten und Lametta unseren Geist verschließen und überreizen.

Doch nehmen wir uns einmal Zeit innezuhalten und dem Menschensohn nicht nur über das Wort der Evangelien, sondern auch über die Kunst zu begegnen. Papst Johannes Paul II. hat mir indes einen Anstoß für diese „Kontemplation der Heiligen Nacht“ geliefert: „Die Welt ist ein Buch, und wer nicht reist, sieht nur eine Seite davon. Die Kunst öffnet uns die Augen für die Seiten, die wir nicht gesehen haben.“

Auch in der Krippendarstellung unserer Seminarkirche, deren Figuren Sebastian Osterrieder etwa in den 1920er-Jahren geschaffen hat, dürfen wir zur Ruhe kommen und uns als Teil der Karawane der Sterndeuter aus dem Morgenland (vgl. Mt 2,1) verstehen, die sich die ganze Adventszeit aufgemacht haben, den wahrhaftigen Menschensohn zu suchen, um ihn dann in der Wehrlosigkeit der dunklen Nacht in einer Krippe zu finden. Der Gottessohn, der über alles erhöht ist, streckt in diesem Moment seine kleine Hand nach uns aus und fordert auch uns als Betrachter auf, innezuhalten und zur Ruhe zu kommen. Vielleicht schon ungläubig blicken wir herein, doch geht von der Krippe und dem Gotteskind selbst ein so starkes Licht aus, dass es sogar das Licht der Sterne und des nächtlichen Himmels übertüncht. Mir geht es nun weniger darum, eine exakte kunsthistorische Einordnung oder Kunstkritik à Apollinaire oder à Diderot zu vollziehen – vielmehr sollen wir ins Nachdenken kommen und auch beginnen vor der Krippe zu verweilen. Ich bin der Überzeugung, dass uns diese Darstellung auf drastische Weise vor Augen führt, was es bedeutet, dass jeder vor die Krippe uns somit Gott selbst treten darf; denn auch, wenn im Moment gerade einer der Hirten mit vor Staunen erhobenen Händen vor dem Kind kniet, sehen wir gebeugte, vielleicht schon auch die gemarterten Körper, die schwere Lasten tragen und sich ebenfalls aufgemacht haben, Christus zu suchen. Körper, wie wir.

Sie alle dürfen sich um das Kleinkind scharen; unabhängig von Stand, von Alter und Gebrechen. Möglicherweise dürfen wir in dieser, unserer Krippe auch erahnen, dass wir in der Gemeinschaft der Christenheit niemals alleine sind; wie oft hört man von Nächsten, die während der Weihnachtszeit vereinsamen – vor der Krippe in Bethlehem und dem Licht des Gottessohnes sind wir keinen Tag, keinen Moment unseres Lebens alleine.

Richten wir unseren Blick zum Ende dieser kleinen Kontemplation nochmals auf den Himmel, der durch den Engel hell zu werden scheint. Darin dürfen wir ein weiteres Geheimnis entdecken, welches Papst Benedikt XVI. folglich interpretiert hat: „Das Herz Gottes hat sich in der Heiligen Nacht in den Stall herabgebeugt: Die Demut Gottes ist der Himmel.“

Somit gehört der Himmel per se nicht mehr zum Raum, wie wir ihn wahrnehmen, sondern wird in unsere Herzen und unseren Geist gelegt. Darin liegt eine Direktive, denn wenn wir uns trauen auf dieses Kind im Stall zuzugehen, uns niederzuknien, dürfen wir die Demut des Himmels berühren. In diesem Moment erneuern wir unser Leben.

Und so füge ich abschließend vielleicht einen Imperativ hinzu, der mir besonders im Angesicht des Leidens der Welt ein Anliegen ist: „Machen wir uns auf den Weg!“ Machen wir uns auf den Weg, wie die Weisen aus dem Morgenland, wie die Hirten vom Feld und suchen das Kind in der Krippe.

In diesem Moment kristallisiert sich ein Mitgrund heraus, warum meine Mitseminaristen, die Schwestern, die Hausleitung und ich hier im Priesterseminar sind: Wir suchen immer weiter nach dem Kind, welches in die Dunkelheit der Welt geboren wurde und Licht bringt.

 

Frohe Weihnachtstage!