Erstellt am 17. Mai 2022 von Philipp Gartlehner und Spiritual Dr. Andreas Schmidt

Geistliches Hauswochenende auf der Klosteralm

Einmal pro Semester steht ein „geistliches Hauswochenende“ auf dem Programm der Seminaristen. Mitten im Trubel des beginnenden Semesters fahren wir an einen geistlichen Ort, um von verschiedenen Spiritualitäten her geistliche Impulse zu bekommen und uns für eine Zeit der Stille und des Gebets zurückzuziehen. Bei diesem Hauswochenende nahm die Stille besonders großen Raum ein, da wir auf die Klosteralm „Marienparadies“ in den Salzburger Bergen fuhren. Die „Schwestern von Bethlehem“ haben sich diesen weit abseits gelegenen Ort gesucht, weil sie – inspiriert von der Kartäuserregel – ihre Berufung darin sehen, Gott und den Menschen in einem kontemplativen Leben mit viel Stille und Gebet zu dienen. Diese Lebensform ist zwar weit entfernt von der späteren Lebenswirklichkeit eines Diözesanpriesters, der mitten in der Welt seinen Dienst tut. Aber so wie Jesus sich immer wieder in die Einsamkeit zurückzog, so ist es auch für einen Diözesanpriester wesentlich, dass er nicht in der vielfältigen Aktion aufgeht, sondern lernt, auch immer wieder solche Zeiten der Kontemplation zu suchen. Dass dies durchaus herausfordernd, aber zugleich auch sehr fruchtbringend sein kann, zeigt der folgende Erfahrungsbericht von Philipp Gartlehner.

„Angekommen in Kloster Maria im Paradies war ich mit mehrerlei Herausforderungen konfrontiert. Als erstes war es die unglaubliche Ruhe des Ortes, die für mich als Stadtkind einfach ungewohnt ist. Dann war es die scheinbare Verlassenheit. Man hat einfach weit und breit keine Menschen gesehen, abgesehen von dem ein oder anderen Seminaristen, der durch die Gegend ging. Und zuletzt war es das Alleinsein in der Zelle: Essen, Schlafen, Beten, Bibel Lesen, Betrachten… Ganz allein.

Am ersten Abend, nachdem ich mein Abendessen in Einsamkeit beendet hatte, wurden wir von zwei Schwestern in das Leben in der Stille und mit der tiefen Suche nach Jesus Christus eingeführt. Was mich besonders berührt hat, war die Gewissheit, mit der die Schwestern Zeugnis davon abgelegt haben, dass sie IHM in der Liturgie einerseits und in der Lektüre und Betrachtung der Evangelien andererseits begegnen. Mit dieser WOW-Erfahrung ging ich die erste Nacht zu Bett.

Am Samstag habe ich mir vorgenommen, diesem Jesus auch begegnen zu wollen. Ich habe mich dazu entschieden das Johannesevangelium zu lesen und mich einfach von Jesus ansprechen zu lassen. Schon während der frühmorgendlichen Liturgie habe ich mich nicht mehr so allein gefühlt und mir war klar, dass diese Zeit eine große Chance in sich birgt: nicht abgelenkt von allem Möglichen zu sein, sondern Christus begegnen zu können. Während des Frühstücks begann ich mit der Lektüre und ich merkte, dass sich die äußere Einfachheit und Leere von innen her zu füllen begann. Ich war auf einmal ganz nah mit Jesus unterwegs. Mich hat besonders die Klarheit angesprochen, mit der ER den ganz verschiedenen Leuten begegnet ist: Manchmal mit Belehrung, dann mit Barmherzigkeit, ein andermal mit Schärfe und Härte. Schon war es Mittag.

Nach einer erholsamen Siesta widmete ich mich wieder dem Johannesevangelium. Nun waren die Kapitel 13–21 dran: also Abschied, Kreuz, Tod, Auferstehung und die Erscheinungen des Auferstandenen.  Für mich war erstaunlich, dass ich mich diesen Texten auf eine neue Art annähern konnte: mit größerer Offenheit und unbeeinflusst von dem, was sonst so laut ist. Es waren kleine Nebensätze und Bemerkungen, die mich zum Staunen gebracht haben. Besonders die Verweise, die mir als Leser gezeigt haben, dass Jesus vieles getan und gesagt hat, das die Jünger erst nach der Auferstehung verstehen konnten in seiner vollen Bedeutung, was da eigentlich passiert ist.

Alles in allem wurde ich mit vielen Fragen konfrontiert, die sich auch die Jünger gestellt hatten, und das Schöne war, dass das Evangelium auch immer gleich Antworten parat hatte. Ich konnte also viel über Jesus, aber auch über meine Beziehung zu IHM lernen.

Am Sonntag verließen wir die Alm nach einer festlichen Sonntagsliturgie und einem letzten Essen in Einsamkeit wieder. Ich habe unheimlich von der Stille profitiert, da ich endlich einmal in aller Ruhe, aber auch Freiheit mich mit dem Wort Gottes im Gebet bzw. meinem Alltag auseinandersetzen konnte. Und gerade die Begegnung mit Jesus in der Schrift hat das Gefühl der Einsamkeit genommen. Auch die Einfachheit des Lebens hat ihren Beitrag dazu getan, dass das bzw. der Wesentliche auf einmal im Mittelpunkt stand.“