Erstellt am 13. Juni 2022 von Subregens Dr. Benjamin Bihl

Fronleichnam

Die Vorbereitungen auf Fronleichnam sind traditionell sehr umfangreich. Meistens wird die hl. Messe an einem Freialtar gefeiert, es muss eine Prozessionsroute gewählt werden und dazu vier Stationsaltäre. Für das erste Fronleichnamsfest 1264 bedurfte es noch anderer Vorbereitungen. Es gab noch keine liturgischen Texte für das Stundengebet und die Messe. Es kam Thomas von Aquin zu, dem größten Theologen der damaligen Zeit, einen Hymnus für die erste Vesper des Festes zu verfassen. Mit diesem Hymnus beginnt das Fronleichnamsfest liturgisch. Das Ergebnis war der Hymnus „Pange lingua“.

In der zweiten bis vierten Strophe entfalten Thomas den katechetischen Gehalt des Festes.

Nobis datus, nobis natus
ex intacta Virgine,
et in mundo conversatus,
sparso verbi semine,
sui moras incolatusmiro clausit ordine.

Uns geschenkt, uns geboren
aus der unversehrten Jungfrau
und wandelnd in der Welt,
hat er die Saat des Wortes ausgestreut
und schloss die Zeit seines Aufenthalts
mit einer wunderbaren Anordnung.

Am Beginn steht das Bekenntnis, dass Jesus für uns gelebt hat. Es ist nicht nur eine Tat oder ein Wort Jesu, das für uns bestimmt ist: sein ganzes Leben hat er für uns gelebt. Geboren aus der Jungfrau Maria ist der Sohn Gottes selbst in dieser Welt erschienen. Er hat seine Fußspuren in unsere Welt eingeprägt und hat als Mensch gelebt wie wir. Sein Wirken beschreibt Thomas mithilfe eines Gleichnisses Jesu, das davon spricht, dass der Sämann den Samen – hier ist das Wort Gottes gemeint – aussät. (Vgl. Mk 4,1-20; Mt 13,1-23; Lk 8,4-15)  Jesu beschließt dieses Wirken in der Welt mit einer wunderbaren Anordnung, die in der dritten Strophe entfaltet wird. In dieser Anordnung ist das ganze Leben Jesu für uns zusammengefasst und für alle Zeiten bewahrt. Thomas spielt natürlich auf das letzte Abendmahl und die Einsetzung der Eucharistie an. Das Wort Jesu, das wir in der Liturgie in den Evangelien hören, drängt darauf, dass wir Eucharistie feiern als Höhepunkt und Zusammenfassung des Wortes Jesu. Auf der anderen Seite ist die Eucharistiefeier immer auf die Worte Jesu verwiesen und ohne die Wortverkündigung wäre ihr Inhalt – eben das Leben Jesu – nicht mehr bewusst. Evangelium und Eucharistie sind wesentlich aufeinander bezogen und sie sind zusammen jene Form, um Christus in unserem Leben zu begegnen.

In supremae nocte coenae
recumbens cum fratribus
observata lege plene
cibis in legalibus,
cibum turbae duodenae
se dat suis manibus.

In der Nacht des letzten Abendmahls
mit den Brüdern bei Tisch liegend,
beachtet er das Gesetz ganz
mit den vorgeschriebenen Speisen;
dann gibt er der Schar der Zwölf
mit eigenen Händen sich selbst zur Speise.

Thomas entfaltet dann in der dritten Strophe die Feier des letzten Abendmahls. Er stellt Jesus als gläubigen Juden dar, der mit seinen Apostel zusammen das Paschamahl feiert. Der Gehorsam Jesu gegenüber seiner himmlischen Vater ist auch Gehorsam auf die Geschichte und Tradition Israels, weil sich der Gott Jesu Christi in dieser Geschichte seinem Volk Israel gezeigt hat. Aus den Speisen mit denen das Volk Israel Jahr für Jahr die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten feiert, wählt Jesu zwei aus, die das Zentrum der Erlösungserinnerung für alle Völker darstellen sollen. Sein ganzes Leben hat er für die Menschen gelebt und als letztes macht Jesus sich zur Speise für alle. „Viele seiner Jünger, die ihm zuhörten, sagten: Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören?“ (Joh 6,60) Es ist auch eine Deutung seines Todes hier enthalten. Jesus ist nicht einfach nur das Opfer eines Justizirrtums (victima), sondern er gibt sein Leben aus freien Stücken (sacrificium). Selbst in diesem Moment äußerster Finsternis bleibt die Liebe Gottes größer als jeder Hass und jede Gewalt von Menschen.

Verbum caro, panem verum
verbo carnem efficit:
fitque sanguis Christi merum,
et si sensus deficit,
ad firmandum cor sincerum
sola fides sufficit.

Das fleischgewordene Wort macht wirkliches Brot
durch sein Wort zu Fleisch;
und der Wein wird das Blut Christi.
Wenn auch die Wahrnehmung versagt,
zur Vergewisserung eines aufrichtigen Herzens
genügt allein der Glaube.

Diese Geheimnis der Glaubens umkreist Thomas mit drei einfachen Begriffen: Wort, Fleisch und Brot. Der Sohn Gottes ist selbst das Wort (Logos) Gottes. Er ist Fleisch (Inkarnation) geworden. Durch sein eigenes Wort wandelt er das Brot nun zu seinem Fleisch, den Wein zu seinem Blut. Das banale Zeichen des einfachen Brotes wird zum Tor für die Tiefe der göttlichen Liebe, die Christus in unserer Welt eröffnet hat. Es sind drei einfache Begriffe, die jeder kennt, mit denen Thomas dieses Glaubensgeheimnis umkreist. Was er sagt, ist jedoch alles andere als banal. Mit drei einfachen Worten erschließt er die Tiefe dieser göttlichen Liebe. Wir empfangen ihn selbst als unsere Speise für das ewige Leben. Die Verwandlung der Welt in das Reich Gottes hat mit Christus begonnen und setzt sich fort, wenn wir seinen Leib und sein Blut empfangen. Wie die Gaben gewandelt werden, so soll diese Speise auch uns verwandeln. Das göttliche Leben nimmt in uns Gestalt an, wir selbst werden verwandelt durch Christi Leib und Blut.