Erstellt am 18. Oktober 2022 von Regens Dr. Wolfgang Lehner

Einheit und Gemeinschaft – Zur Communio in der Seminarausbildung

Eröffnungsabend des Wintersemesters 2022/2023

 

Gegenwärtig ist viel von Einheit in der Kirche zu hören und zu lesen, von der Gefahr des Auseinanderdriftens, von der Polarisierung und von der Bildung von Blasen und Nischen, in denen sich jeder verschanzt. Es ist leicht, diese Entwicklung zu bedauern, über die Verantwortlichen in der Kirche die Nase zu rümpfen oder zu spotten. Schwieriger ist es, die Kunst der Einheit zu leben.

Ein Semesterbeginn im Priesterseminar stellt dieselbe Frage auf der sehr konkreten Ebene: Wie kann und soll Communio, Gemeinschaft, im Priesterseminar gelingen, die dem Einzelnen ebenso gerecht wird wie dem Ganzen? Eine jede neue Hausgemeinschaft muss die Frage für sich neu stellen und neu klären. Immer herausfordernder wird sie schon deshalb, weil in unserer Hauskommunität von zwölf Seminaristen keine zwei von ihnen dasselbe Curriculum haben: Jeder ist ein Fall für sich. Die Individualisierung von Glaubensbiographien ist längst im Seminar angekommen.

So dient der Eröffnungsabend des Wintersemesters natürlich traditionell dem Austausch von Informationen, der Planung von Kursen und Veranstaltungen, der Verteilung von Diensten und Aufgaben. Aber auf einer tieferen Ebene geht es um die Frage: Wie können und wollen wir inmitten einer Kirche, die immer weiter auseinander zu driften scheint, die Einheit im Glauben und in der Mitbrüderlichkeit leben? Theologie und Theorie sind das eine; mit dem neuen Semester geht es wieder um die Konkretion im Alltag, um Reibungen und Positionierungen, um Meinungen und Standpunkte. Die Kunst wird sein, inmitten der Unterschiede einen gemeinsamen Weg zu finden. Dann kann jeder auf seinem Weg der Berufungsklärung gut vorankommen und zu einem echten Glaubenszeugen werden.