Erstellt am 15. Dezember 2022 von Martin Brenninger

Die Rorate-Messe – Von der adventlichen Unterbrechung

Die kalte Jahreszeit bringt so manche Tücken mit sich. Klagen die einen über eine tropfende Nase, leiden andere unter der langen Dunkelheit und wieder andere ereilt die Grippe mit mehreren Tagen Komplettausfall. Wie lästig doch solche Unterbrechungen sind. Dabei muss doch noch einiges erledigt werden, ehe Weihnachten werden kann. Vom täglichen Seminar- und Unibetrieb bis hin zum Diakoniepraktikum ist allerhand zu leisten. Privat wollen Geschenke besorgt werden und die Weihnachtspost schreibt sich auch nicht von selbst, von der Vorbereitung der jährlichen Nikolausfeier mit Theaterstück und eigens kreierten Gedichten ganz zu schweigen.

Als ob diese vorweihnachtliche Betriebsamkeit nicht schon genug durch die winterlichen Querelen unterbrochen wird, kommt eine weitere Unterbrechung hinzu, doch diese ist sogar eingeplant und Teil der priesterlichen Ausbildung: Die tägliche Liturgie, das Stundengebet, aber auch die Hl. Messe. Die Liturgie erinnert uns daran, insbesondere im Advent, mit dem Einwirken Gottes in unsere Welt zu rechnen, besser, es herbeizusehnen. „Seht euer Gott! […] Er selbst kommt und wird euch retten.“ (Jes 35,4) Obwohl Liturgie unsere Betriebsamkeit unterbricht, schwächt sie nicht, anders wie die Grippe, sondern will Raum geben für die Zweisamkeit mit Gott, die kräftigt und gesund hält.

Die Liturgie bietet im Advent die ein oder andere Besonderheit. Eine Unterbrechung in der Unterbrechung, wenn man so will. Auch in diesem Jahr pflegten wir nämlich gutes altes Brauchtum und feierten zusammen eine Rorate-Messe, die auch Engelamt genannt wird. Ausschließlich Kerzenlicht erleuchtete die Seminarkirche, an den Seitenwänden flackerten die Apostelleuchter und tauchten alles in einen geheimnisvollen Lichtglanz. Die Atmosphäre und der Text aus dem Buch Jesaja luden dazu ein, sich im Gebet mit dem ersterwählten Gottesvolk zu verbinden, so ist Israels tiefe Sehnsucht nach der Zuwendung Gottes, auch unsere: „Das Volk das in der Finsternis ging sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten strahlte ein Licht auf!“ (Jes 9,1) Hell glänzte auch der weiße Messornat, der gegen den im Advent so üblichen violetten eingetauscht wurde. Bietet der Advent zwar wertvolle Akzente der Buße und Umkehr, so künden die Rorate-Messen das nahende Heilsereignis an. Die Wiederkunft Christi soll uns allem voran eine Botschaft der Freude sein, aus diesem Grund auch unserer Hausliturgie eine gehobene Feierlichkeit innewohnte. „Juble laut, Tochter Zion! Jauchze Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir.“ (Sach 9,9) Drei unserer besten Sänger stimmten den Introitus an: Rorate cæli, désuper, et núbes plúant jústum. Tauet ihr Himmel, von oben! Ihr Wolken regnet herab den Gerechten!

Als das Priesterseminar im vergangenen Studienjahr ukrainischen Flüchtlingen zur Notunterkunft wurde, wurden wir Seminaristen hautnah damit konfrontiert, welch ein kostbares, aber auch welch ein gefährdetes Gut Gerechtigkeit ist. Trotzdem wir uns sorgen, im Kleinen wie im Großen, gerecht zu sein, sehen wir, Gerechtigkeit bleibt ein Gut, das uns unverdient von Gott geschenkt wird. Dafür lohnt es sich, die eigene Betriebsamkeit zu unterbrechen und Gott darum zu bitten, er möchte für uns selbst zur Gerechtigkeit werden. „Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. […] Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften und die Treue der Gürtel um seine Lenden.“ (Jes 11,1,5) Wo wir unser Tun unterbrechen und Christus, den Gerechten zu unserem Lebensmittelpunkt erheben, dort kann die Gerechtigkeit Gottes wirksam werden und unsere Welt zum Guten verändern. Sprechen wir zukünftig darüber: Wie schön, dass wir uns in der Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest so feierlich unterbrechen lassen dürfen! Der Betriebsamkeit zum Trotz und der Erkältung obendrein.