Bibelschule im Heiligen Land
Die ersten Tage am See Genezareth
In Galiläa rund um den See Genezareth verbrachte Jesus Christus sicherlich die meiste Zeit seines irdischen Lebens. In dieser Gegend rief er seine Jünger zusammen. Bis heute bezeugen Ortsnamen und Schauplätze die Taten Jesu. Der See ist der Anfang Seiner Mission-der Ort, wo er seine Apostel vor und nach der Auferstehung zum „Menschenfischen“ aufforderte.
Die Gegend stellt einen Anfang dar, den auch wir als Seminaristen der unteren Kurse gehen. Sie bezeugt die Nachfolge, einen Weg, der für einige an diesem See begann und von dem wir uns bei dieser Fahrt inspirieren lassen konnten. Dort konnten wir von neuem verstehen, was es bedeutet „Ja“ zum Weg zu sagen, auf den Christus uns führt, was immer dieser für jeden Einzelnen sein mag.
Andererseits konnten wir uns erneut mit diesem Jesus von Nazareth auseinandersetzten und den Menschen seiner Zeit. Was verbirgt die Gegend an Lebensabschnitten Jesu, von denendie Heilige Schriftnichts festhält? Was machte der Menschensohn die Jahre vor seinem öffentlichen Auftreten? Haben die Menschen zuvor erkannt, dass an diesem Jesus etwas anders ist? Der Mensch gewordene Sohn Gottes bleibt in vielem rätselhaft. Vor Ort kamen einigesolcher Fragen auf. Daher war es hilfreich, sich jene Ereignisse anhand der ignatianischen Methodevorzustellen und die biblischen Personenan den jeweiligen Schauplätzen lebendig werden zu lassen.Vor Ort Abschnitte aus dem Evangeliumzumeditieren, war eine großartige Erfahrung für uns Seminaristen.
Dies praktizierten wir sofort am ersten Tag auf dem Seligpreisungsberg, auf dem Jesus die Bergpredigt hielt. Hier ging jeder für sich die einzelnen Sätze von Matthäus 5,3-11 durch. Dabei konnten wir uns gut vorstellen, wie er vor der Menschenmenge saß, die bergab lauschte, was Jesus sagte. Im Hintergrund befindet sich der See, welcher von der blühenden Landschaft des Frühjahrs umgeben war und am Abhang viele größere Steine, auf denen damals sicherlich die Menschen saßen.
Dem Ereignis so nahe konnten wir uns ausmalen, was die Seligpreisungen für die Menschen damals bedeuteten, aber besonders, welche Aufforderungen sie an uns sind.
Diese Erfahrungen konnten wir täglich dem Herrn bei der heiligen Messe anvertrauen. Dabei bezog sich das Tagesevangelium stets auf den jeweiligen Ort. Auch die Kirchen, die an den Stätten entstanden, halfen uns, den Charakter der Botschaften in seiner künstlerischen und architektonischen Pracht neu zu entdecken. Auf diese Weise folgten wir also den Herrn über die vielen Stätten bis nach Jerusalem, welcher durch die Eucharistie bei uns war, so wie er in jenen Tagen und an jenen Orten bei seinen Jüngern war.
Jerusalem
Aus dem Jordantal, dem tiefsten Punkt der Erde, ging es von Jericho 1000 Höhenmeter hinauf in das Bergland von Judäa nach Jerusalem, in die Königsstadt Davids. Wie Jesus bei seinem Einzug in die Stadt vor zweitausend Jahren kamen wir über den Ölberg von Osten und so bot sich über das Kidrontal hinweg ein erster herrlicher Blick auf die Altstadt. Der Tempelberg und die dahinterliegenden unzähligen Synagogen, Kirchtürme und Minarette sowie die noch weiter westlich liegenden Hochhäuser kündigten die Vielfalt der Eindrücke der nächsten Tage an. Unsere Unterkunft befand sich im armenischen Viertel der Altstadt bei libanesischen Maroniten, die uns mit großer Gastfreundschaft bewirteten.
Unser Reiseprogramm enthielt neben einem Ausflug nach Bethlehem insbesondere Stationen, die mit der Passionsgeschichte Jesu direkt in Verbindung stehen. Es scheint unmöglich, einen einzelnen Ort als besonderes Erlebnis herauszuheben, vielmehr ist es doch das Gesamterlebnis „Jerusalem auf den Spuren des Herrn“, das unsere Tage prägte. Immer mit den biblischen Texten im Gedächtnis und in der Hand, Jesu letzten Tagen nachzuspüren, um so eine Vorstellung von der Stadt und ihren räumlichen Distanzen zu erhalten. Leider ist von den Bauten aus biblischer Zeit nur noch wenig bis gar nichts erhalten, dafür haben die zahlreichen Kriege um die Stadt in zwei Jahrtausenden gesorgt. Aber die unverrückbaren Erhebungen des Tempelbergs und des Ölbergs, sowie die lange Verehrungstradition an den einzelnen Orten, ließen diese authentisch wirken.
So machten wir uns auf, vom Saal des letzten Abendmahls, dem Ort der Einsetzung der heiligen Eucharistie durch das Kidrontal hinüber zum Ölberg. Hier sind in der Apostelgrotte im Altar die Apostel dargestellt, die in den Schlaf fielen, statt mit dem Herrn zu wachen. In der Kirche aller Nationen liegt der Felsen an dem Jesu zum Vater gebetet hat, so dass sein Schweiß wie Blut zu Boden fiel, eher er sich seinem Schicksal hingab und im angrenzenden Garten Getsemani verhaftet wurde.
Zurück in der Altstadt folgten wir dem Kreuzweg Jesu von der nicht mehr existierenden Burg Antonia, dem Ort der Verurteilung, entlang der berühmten Via Dolorosa bis zur Grabeskirche. Die Grabeskirche vereint Golgota, den Ort der Kreuzigung und das Felsengrab aus dem Jesus auferstanden ist. Sechs Konfessionen, katholische wie orthodoxe teilen sich diesen heiligen Ort, so dass in einer Art „Dauerliturgie“ gebetet, angebetet und verherrlicht wird.
Die Zahl der geistigen Eindrücke war beinahe zu hoch, um sie alle zu verarbeiten und so kam mancheirdische Kuriosität gerade recht, wie Apfelstrudel und Sachertorte im österreichischen Hospiz, die Legion an Katzen der Stadt oder der Wechsel von Schneefall in Jerusalem zu Baden im Toten Meer innerhalb von 24h.
Unsere Israelfahrt war für fast alle Teilnehmer der erste Besuch im Heiligen Land und somit ein ganz besonderes Erlebnis. Corona sorgte zwar für den Ausfall der Fahrt letztes Jahr, aber dafür heuer für ein Israel ohne Touristenandrang und die Möglichkeit die Stätten, an denen so viel Grundlegendesunseres Glaubens passierte, ruhig und andächtig zu besuchen.
Florian Florack