Erstellt am 23. Februar 2021 von Christopher Dargel

Braucht‘s das oder kann das weg?

Hier steht die Enthüllung die sie schon immer lesen wollten: Eine Liebeserklärung von einem Priesterseminaristen – an eine Frau!

Naja zugegegeben, was nun folgt ist vielleicht weniger pikant, aber nicht weniger ernst gemeint: Ich liebe Therese von Lisieux! Wer mich kennt, weiß, dass ich alles andere als ein ‚klerikaler Spinner‘ bin, der zu wilder Frömmelei neigt. Hätte man mich vor einigen Jahren noch gefragt ob ich irgendeinen Heiligen besonders verehre, hätte ich mir nur müde lächelnd an die Stirn getippt…

Das änderte sich, als ich vor gut zweieinhalb Jahren auf die Biographie dieser bemerkenswerten ‚kleinen‘ Heiligen gestoßen bin. Ich befand mich gerade auf meinen ersten echten Exerzitien im Kloster Mallersdorf. Schweigen, Beten, Betrachtung, kurzum: das volle Programm! Ich hatte bereits ein Buch über Franz von Sales durchgelesen und dachte ich mir nun: „Hey jetzt die weibliche Perspektive – schadet bestimmt nicht!“

Aber warum greift man überhaupt zu solchen Büchern und beschäftigt sich nicht lieber mit den Evangelien? Ich glaube auf diese durchaus berechtigte Frage gibt es nur eine Antwort, die sich seit der Antike wohl kaum verändert hat: Der Mensch braucht Vorbilder! Vorbilder sind manchmal unbequem, sie fordern uns heraus, stellen uns die eigene Unzulänglichkeit vor Augen und spornen uns damit zu neuen Höchstleistungen an. Sie geben unserm Streben eine Richtung. Natürlich kann man dabei auf beiden Seiten des Pferdes herunterfallen, denn Vorbilder können uns genauso gut überfordern, denn manche scheinen schier unerreichbar. Wer versucht Christus immer ähnlicher zu werden, der kennt dieses Gefühl vielleicht. Sein Vorbild hat eine ungebrochene Anziehungskraft und gleichzeitig den Nimbus des Unerreichbaren, des Übermenschlichen…

Heiligen wie Therese von Lisieux ist es jedoch gelungen in der begrenzten Spanne ihres Lebens (Therese wurde gerade einmal 24 Jahre alt!) einen Teilaspekt dieses Jesus zu verkörpern und so selbst zum Vorbild für andere zu werden. Aber wer sich länger man mit so einem Vorbild zweiter Klasse auseinandersetzt, erkennt schon bald: Niemand ist perfekt! Alle Heiligen hatten ihre ganz individuellen Macken und Eigenheiten. Ja, auch ‚meine‘ Therese…

Ihr wirft man beispielsweise gerne vor, ein äußerst weltfremdes und beziehungsunfähiges Mädchen gewesen zu sein, das bereits in seiner Kindheit Schwierigkeiten hatte Freunde zu finden. Nach dem Tod ihrer Mutter war sie immer wieder auf der Suche nach neuen Mutterfiguren, an die sie sich klammern konnte. Von der Wiege bis zur Bahre war ihr Leben geprägt von Frömmigkeitsübungen, ein anderes Leben scheint sie gar nicht gekannt zu haben. Was also finde ich an dieser Heiligen, wenn sie doch eine so verletzliche Person gewesen ist?

Bereits als kleiner Junge liebte ich Ritter und ihre Abenteuer! Aber unter all den schillernden Figuren stach immer eine in besonderer Weise heraus: Johanna von Orléans – Ein junges Bauernmädchen wird zu einer furchtlosen Streiterin und zieht ein ganzes Land in ihren Bann. Mit einfühlsamer Sanftmut und trotziger Bestimmtheit! Auch Therese von Lisieux war von der Nationalheiligen Frankreichs fasziniert. Es ist daher wohl auch kein Wunder, dass sie mit dieser jungen Frau des Mittelalters einige Gemeinsamkeiten hat. Auch sie verfügte über diese einfühlsame Sanftmut und trotzige Bestimmtheit! Der Grund dafür scheint mir in einem bekannten Prinzip zu liegen: Liebende werden sich einander immer ähnlicher. Wie wichtig ist es daher, sein Herz an die richtigen Personen zu hängen!

Gerade in unserer modernen aufgeklärten Zeit erleben scheinbar starke männliche Vorbilder eine Renaissance. Ihr unbeherrschtes Auftreten wird bedenkenlos kopiert, obwohl das Ende solcher Personen noch gar nicht abzusehen ist, die Frucht ihres Handelns (Vgl. Mt 7,20). Vielleicht gäbe der Blick in die Vergangenheit eine bessere Antwort auf unsere Sehnsucht nach geeigneten Vorbildern, denn hier ist ein bewertender Blick auf das Ende möglich. Wie steht es beispielsweise um Therese von Lisieux?

Sie hielt als junge Nonne Briefkontakt mit zwei Priestern und schaffte es beiden mit ihrer unverwechselbaren Art eine echte Schwester im Glauben zu werden, die nicht nur Trost, sondern auch Zurechtweisung bereithielt. Sie wurde zu dem was sie selbst immer gesucht hatte: Eine Mutter, genauer: eine ‚geistliche‘ Mutter!

Bisweilen fühle ich mich von dem Gedanken überfordert, ganz alleine vor meinen Gott zu treten, den Schöpfer des Universums! In solchen Momenten bin ich dankbar für eine solche geistliche Mutter wie Therese, die mich bei der Hand nimmt. Sie hält mich nicht von Gott zurück, sondern führt mich zu ihm hin.

Auch wenn ihr kurzes irdisches Leben einer emotionalen Achterbahn glich, so ist sie beharrlich ihrer Berufung gefolgt. Ganz ehrlich: Sie war ein durchaus hübsches Mädchen, sie hätte nicht ins Kloster gehen müssen. Aber: Sie hielt an ihrer Berufung fest, mit einem Mut und einer Zuversicht die ansteckt. Ihr Lebenszeugnis ruft mir zu: Vor dir hat es auch schon jemand geschafft! Ja, wenn es dieses kleine verletzliche Mädchen aus Frankreich geschafft hat, Christus in besonderer Weise nachzufolgen, warum sollte nicht auch ich diesen Versuch wagen?

Sicher, ich muss nicht genau so werden wie sie, aber ich darf auf ihr Leben schauen, mich inspirieren lassen, das Gute behalten (Vgl. 1 Thess. 5,21) und gemeinsam mit ihr beten. Heiligenverehrung ist für mich deshalb vergleichbar mit einer Dreiecksbeziehung, deren beiden untere Ecken immer zur Spitze des Dreiecks führen. Heiligenverehrung kann und darf sich nicht darin erschöpfen Räucherstäbchen vor bunt bemalten Figürchen anzuzünden. Heilige zu verehren, bedeutet ihren ‚spirit‘ lebendig zu halten, den ‚Geist‘ gelebter Christusnachfolge!