Erstellt am 16. November 2018 von Michael Korell

Die Sicherheit der Krise – oder warum es nicht sinnvoll ist, mit einem Lahmen auf den Schultern das Isartor zu durchqueren

„Alles ist Krise.“ Mit diesem etwas provokanten Zitat bereitete uns Regens Dr. Lehner am Freitag Abend auf das thematische Hauswochenende vor. Die Krise ist allgegenwärtig, die weltweit bekannte „German Angst“ sieht sie unter jedem Stein. Von der Ölkrise der 1970er Jahre über die Euro-Krise bis zur dauerhaften Kirchen-Krise. Niemand in der ganzen Hauskommunität kennt ein Leben ohne das K-Wort.

Die große Volkskirche ohne Skandale, die Richtung und Weg der Gesellschaft weist, es gibt sie nicht mehr. Und vielleicht hat es sie auch nie gegeben, aber der Theologiestudent unserer Tage kennt eben auch sie, die Mutter Kirche, nicht ohne Missbrauchsskandal, ohne Priestermangel und ohne Austrittswellenbad.

Das Wort griechische Wort κρίσις meint ursprünglich eigentlich „Entscheidung“. So war es offensichtlich sinnvoll, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, ist das Leben in unserer Hauskommunität doch permanent vom Entscheidungsprozess geprägt, der münden soll im Ja zum Priester-Sein oder aber im ehrlichen Nein. Natürlich handelt es sich dabei um einen langwierigen Vorgang, aber dieser ist geprägt auch von akuten Krisensituationen, in denen Entscheidungen gefällt werden müssen. Der Frage, wie man auch in solchen Momenten sich selbst treu bleiben kann um besonnen auch jene finstere Schlucht zu durchwandern, an dessen Ende sich eine weite Landschaft auftut, gingen wir gemeinsam nach.

So hörten wir einen aufschlussreichen Vortrag vom Entwicklungspsychologen Professor Dr. Johannes Bach über die psychologischen Aspekte der menschlichen Ausnahmesituation. Ab wann brauche ich Hilfe? Warum fällt es so schwer, sie sich zu nehmen? Und warum meistert der eine die Krisen scheinbar problemlos und der andere bleibt versteinert wie der Hase vor der Schlange?

Ferner gab uns die Mentorin des Ausbildungszentrums für Pastoralreferenten, Silvia Schweiger, einen geistlichen Impuls, der sich am Klagepsalm 69 orientierte. Der Psalter, den so viele Menschen vor uns gebetet haben und auch Christus selbst, kann Hilfe und Stütze sein, da er alle menschlichen Situationen kennt, benennt, und Lichtblicke zulässt selbst in jener dunklen Schlucht, die nicht zu enden scheint.

In den immer wieder stattfindenden interaktiven Einheiten in Einzel- und Gruppenarbeit wurden eigene Hilfsmittel zur Bewältigung schwieriger Situationen gesammelt und vor das Plenum getragen.

Krisen sind Möglichkeiten und Chancen zu wachsen, weiterzugehen und stärker zu werden. Aber sie bedeuten auch Kampf und wohlüberlegtes Handeln. Gerade zweiteres ist oft schwierig, aber mit den Coping-Strategien die uns an die Hand gegeben werden kann es gelingen. Zum Abschluss des Wochenendes durften wir eine Predigt über den Tagespatron, den hl. Martin, hören. Eine der Legenden erzählt von zwei Bettlern, einem lahmen und einem blinden, die sich ganz gut ergänzten. Der eine trug den anderen umher, während der andere den Weg wies. Und so humpelten sie durch das eine Tor von dannen, als der wundertätige Leichnam des heiligen Mannes durch das andere in ihre Stadt kam, aus Angst, geheilt zu werden. Denn das bisschen Sicherheit in ihrem Leben, das sie hatten, wollten sie nicht aufgeben. Der Krise der Lebensveränderung konnten oder wollten sie sich nicht stellen. Alles beim alten also, am sinnbildlichen fetten Fleischtrog Ägyptens.

Aber man kann sich eben den Herausforderungen auch stellen, um größer, stärker und vor allem gesünder zu werden. Gerade die Jahre der Ausbildung im Priesterseminar geben dazu Chance. Aber man muss sich trauen und den Mut haben, sich der Krise wahrhaftig zu stellen. Denn nur so wird die gefährliche Schlange vor der der gemeine Seminarist erstarrt, in der Retrospektive zum Regenwurm.