Erstellt am 3. Dezember 2017 von Dr. Wolfgang Lehner

Spurensuche in Mooshausen

Wie kommt Romano Guardini nach Mooshausen, in die württembergische Provinz? Was macht der Denker der „christlichen Weltanschauung“ in einem Weiler an der Iller, von dem er obendrein behauptet, dort sei seine „innere Heimat“ gewesen?

Bis heute erzählt der barocke Pfarrhof von einer ungewöhnlichen Geschichte, die bis vor die Zeit des Zweiten Weltkrieges zurückreicht: Josef Weiger war von 1917 bis 1966 Pfarrer in Mooshausen und zugleich Hausherr in einem Pfarrhof von ungewöhnlicher geistiger Weite. Seit Studententagen war er mit Guardini befreundet; zum Interesse an Theologie und Phlosophie kam bei Weiger auch ein Sinn für Kunst und Kultur. Die Bildhauerin Maria Elisabeth Stapp hatte im Pfarrhof ihr Atelier eingerichtet, die Maler Wilhelm Geyer und Victor Ostroumov gehörten ebenso zu den regelmäßigen Gästen wie der Dirigent Eugen Jochum. So spielte sich im Pfarrhaus Mooshausen in den 1920 bis 1960er Jahren ein reges geistiges und kulturelles Leben ab, dessen Verbindungen bis zum Widerstandskreis der Weißen Rose reichten.

In Mooshausen fand schließlich auch Romano Guardini eine Bleibe, der im Herbst 1943 Berlin verlassen musste. Seine Welt war auf einen Schreibtisch zusammengeschrumpft; vom Fenster seines Zimmers aus konnte er die Fliegerstaffeln sehen, die ihre Luftangriffe auf München flogen. In dieser für ihn sichtbaren Apokalypse fand Guardini im Mooshausener Pfarrhof tatsächlich so etwas wie eine „innere Heimat.“

Für die Seminargruppe „Romano Guardini“ bot eine Tagung des Freundeskreises Mooshausen eine willkommene Gelegenheit, nicht nur zur theologischen, sondern auch zur zeitgeschichtlichen Spurensuche. Prof. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz führte kenntnisreich durch den Mooshausener Pfarrhof und seine reichen Erinnerungen; ihr Vortrag zum Thema „Das Werden im Denken Guardinis“ ließ die Welt des Mooshausener Kreises anschaulich und lebendig werden.

Der am 16. Dezember beginnende Prozess der Seligsprechung Romano Guardinis wird im Priesterseminar nicht nur als äußeres Ereignis mit großer Anteilnahme lebendigt verfolgt werden, sondern auch von innen heraus – mit der Fragestellung: Was kann Guardinis Denken uns und unserer Zeit sagen?